Publikumsdienst

Der Garderobier Gerhard Spring erzählt von seinem Berufsbild im Wiener Burgtheater:
    Es war noch unter Peymann, als ich beim Einstellungsgespräch gefragt wurde, warum ich denn als Künstler im Publikumsdienst arbeiten wolle. Die Antwort darauf weiß ich erst heute, zehn Jahre später, nachdem das Burgtheater zu dem Dienstleistungsapparat geworden ist, der vom Künstler ebenso viel Dienstfertigkeit verlangt wie vom Publikumsdiener Kunstfertigkeit. Es war unvermeidlich, dass das Burgtheater, dessen Elemente Menschen und ihre Handlungen sind, bei fortschreitendem Rückzug des Staates aus seiner Dienstleistungsverpflichtung gegenüber dem Publikum immer mehr zur Wiedergabe von Diensten übergeht, zur reinen Wiedergabe von Publikumsdiensten werden musste.

    Das Burgtheater kam als Luxus auf die Welt und verstand, sich zum Bedürfnis zu machen. Gegenwärtig ist der Publikumsdienst der einzige gegenständliche und fantastische Inhalt des Burgtheaters. Während er anderswo laut Regieanweisung das Publikum am Einlass hindert und verärgert, kreisen hier die Billeteure laut Dienstplan mit Glückwunschbilletts um die Burg, um allen "alles Gute" zum permanenten Einlass zu wünschen. Mein Dienstplan umfasst nicht nur, dem Publikum aus oder in den Mantel zu helfen, sondern auch, es ihm nur vorzuspielen, während ich es nur auf seine Geldtasche abgesehen habe. Mein Lieblingsdienst ist jedoch der, das Publikum in seiner Gestik und Mimik so genau einzustudieren, dass ich es, sollte es eines Tages ausbleiben, der Reihe nach im Saal vertreten kann. Insgeheim hoffe ich also doch auf den Applaus für das Publikum, den mir dann meine Kollegen von der Bühne spenden werden. (DER STANDARD, Album, Printausgabe vom 24./25.9.2009)

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Trackbacks zu diesem Beitrag

soma - 2006.07.26, 01:24

soma

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