fouc the govern

Unzulängliche Wahlsabotage und 2 Verbesserungsvorschläge

Der Wien-Blog hat aus welchen Gründen auch immer einige Tipps zur Sabotage der Wahlhandlung präsentiert. Da ich das Vergnügen habe, wie schon ziemlich oft so auch diesmal in einer Wahlkommission zu sitzen, würde ich sagen, dass mit einer Ausnahme - dem Streuen von Nervengift - keine einzige der Aktionen geeignet ist, den Wahlprozess in einem Sprengel dauerhaft zu stören. Das meiste wäre in wenigen Minuten erledigt. Im Folgenden Kommentare zu den einzelnen Vorschlägen. Und anschließend zwei eigene, effektivere.

a) kuli-mine mitnehmen
?
b) das pult mit klebstoff beschmieren
Würde der Nächste melden und, da der Wahlkommission ja noch bekannt ist, wer vorher drinnen war, würde Anzeige wegen Sachbeschädigung und wegen Wahlbeeinträchtigungsversuch erfolgen. Falls wie in e) der Täter die Tat meldet, fällt das mit der Anzeige wohl weg bzw. würde sich als wirkungslos erweisen.
Falls Klebstoff nicht abgedeckt werden könnte, würde Wahlzelle deaktiviert werden bis Ersatz kommt. Da aber in jedem Wahllokal mehrere Wahlzellen stehen, würde es kaum zu einer merkbaren Beeinträchtigung des Wahlvorgangs kommen.
c) graffiti anbringen
wie b)
d) pornofotos auflegen
würde der Nächste melden und die Fotos würden entfernt werden und eventuell für Kurzweil der Wahlkommission für die restliche Wahlzeit sorgen.
e) hakenkreuze aufmalen und melden
wie b)
f) ameisen freilassen
Wie viele?
g) sehhilfe verlangen
hat jede Wahlkommission (Schablonen); es kann auch Vertrauensperson in Wahlzelle mitgenommen werden, die einem hilft.
h) nervengift streuen
Würde Wahlhandlung tatsächlich unterbrechen und der Streuer, der bei so einer Aktion vermutlich relativ leicht eruiert werden könnte, tät für einige Zeit hinter Gitter wandern
i) zweiten wahlzettel einschmuggeln und rabiat protestieren. “dieses wahllokal muss sofort geschlossen werden!”
Da muss man erst an einen zweiten Wahlzettel herankommen. Falls ja, wird einem der zweite Wahlzettel abgenommen werden, der Vorfall würde im Protokoll vermerkt werden und bei fortgesetzt rabiatem Verhalten die Polizei mit Kennwort "Wahl08" verständigt werden. Wo ist das Problem?
j) unabhängige wahlbeobachter der UN verlangen
Derjenige würde an die Bezirkswahlkommission verwiesen werden. Ansonsten wie i)
k) behaupten, der ausweis sei nicht zurückerstattet worden
Wenn die Wahlkommission meint, dass doch, dann kann er sich wie bei j) zur Bezirkswahlkommission begeben
l) auf farbepolster für persönlichen fingerabdruck bestehen
wie j)
m) pässe der wahlkommission verlangen
wie j)
n) wegen manipulativer blicke polizeischutz verlangen
wie j) bzw. den kann er schnell haben :-)
o) die anwesenheit von bösen geistern behaupten
Wird an die amerikan. Vizepräsidentschaftskandidatin verwiesen :-)
p) behaupten, dass der wahlzettel unvollständig ist
wie j)
r) sich als analphabet ausgeben
und?
s) viele schmierzettel für probekreuze verlangen
wie j)
t) verlangen, dass gusenbauer kanzler wird
wie o) und j) :-)
u) beim weggehen fehler eingestehen und wahlzettel zurückverlangen
wie j)
v) ausführliche rechtsbelehrung durch juristen verlangen
wie j)
w) höflich um die mobilnummer von bgm. häupl bitten
wie j)
xyz) wahlzettel und kuvert verschlucken
wird ins Protokoll aufgenommen

Wirksamer sind vielleicht Aktionen wie diese (allerdings gehören dazu mehr Aktivisten):
1) Knapp vor Wahlschluss Wahlurne nehmen und damit davonrennen. Der Ordner sollte allerdings von jemand Zweiten abgelenkt werden. Wurde bei der "Volkszählung der besonderen Art", der österreichweiten Minderheitenfeststellung in den 70ern, angewandt.

2) Präpariertes Plättchen in Wahlkuvert geben, das sich nach einiger Zeit selbst entzünden. Wurde damals diskutiert; ich glaube aber nicht, dass es auch umgesetzt wurde
Offen gestanden weiß ich aber nicht, wozu Wahlen gestört werden sollten. Bei jener Minderheitenfeststellung war die ganze Aktion ein undemokratischer Akt und wurde zurecht torpediert und letztendlich waren die Ergebnisse unbrauchbar (z.B. kreuzten damals sehr viele Nicht-Slowenen aus Solidarität "slowenisch" an; ich glaube, Wien hatte danach mehr Slowenen als Kärnten).
Aber ich ziehe ein Land, in dem es Wahlen gibt, immer noch einem vor, in dem es das nicht gibt. Nicht nur wegen des damit zu verdienenden Zubrots für arme Gemeindebedienstete :-)
Wer - zurecht - kritisiert, dass die repräsentative Parteiendemokratie und der Parlamentarismus nicht optimal funktionieren und meint, dass Wahlen, wenn sie was verändern würden, längst verboten wären, kann seinen Protest anders und zielgerichteter deutlich machen. Und einfallsreicher :-)





Scharnier der Macht

In der neuen Ausgabe 26 (derz. noch nicht online) der Grundrisse wird in einer Rezension von Engelbert Stockhammer auf das Buch Michael Willenbücher: Das Scharnier der Macht. Der Illegalisierte als homo sacer des Postfordismus aufmerksam gemacht. In dieser Studie zur Rolle illegalisierter MigrantInnen im postfordistischen Kapitalismus wird, wie aus dem Titel schon zu entnehmen ist, auf Agambens Konzept des homo sacer zurückgegriffen, welches "im Gegensatz zu Vertragstheorien der Staatlichkeit im Ausnahmezustand den ultimativen Ausdruck und die Fundierung der Staatsmacht sieht.
Hervorgehen wird in der Rezension die staatliche Produktion von Illegalität, wodurch auch eine Etablierung prekärer Arbeitsverhältnisse vorangetrieben wurde. Wobei der tatsächliche Effekt der verstärkten Grenzkontrollen und der restriktiven Immigrationspolitik aber nicht Abschottung, sondern Entrechtung sei. Oder um es mit den Worten des Autor zu sagen:
"Die Grenze atmet. Ihr Ziel ist nicht die Abschottung, sondern die Selektion und Filterung. Ihr Effekt ist die Produktion einer extrem flexibilisierten Arbeitskraft"
Dieser Ansatz könnte für die politische Argumentation, jenseits eines letztendlich abstrakt bleibenden Solidarisierungsanspruchs, anschaulicher zu vermitteln vermögen, dass der staatliche Terror gegen die MigrantInnen mittelbar auch dem "Staatsvolk" gilt, somit eine Solidarisierung auch ein Kampf gegen die eigene Entrechtung und Prekarisierung ist.
Es scheint - trotz einiger kritischer Anmerkungen des Rezensenten - ein wichtiges Buch zu sein.


Schrecklicher Polizist in einem schrecklichen Fall

Als Reaktion auf die seltsamen Aussagen des Oberst Polzer im Vergewaltigungs- und Missbrauchsfall von Amstetten (Niederösterreich) hat Martin Amanshauser unter dem Titel "Der Typus Polzer. Wortspenden des Amstetten-Ermittlers entblößen eine dubiose Denkungsart" unlängst in der Presse einige dieser Äußerungen, die zwischen Vertrottelheit und Opferverhöhnung pendeln, einer kritischen Betrachtung unterzogen.
Die Antwort des Obersten in einem Leserbrief diese Woche bestätigt nur, dass hier jemand eine Funktion hat, die er von rechts wegen nicht haben dürfte:
"Bei jedem Ermittlungsschritt und mitfühlenden Gedanken über die Verbrechensopfer von Amstetten wird mir regelrecht schlecht; ebenso bei Ihrem anmaßenden Kommentar über meine 'dubiose Denkungsart' ... "
Der Mann dürfte generell einen schlechten Magen haben: es wird ihm sowohl in der Ausübung seines Jobs schlecht ("bei jedem Ermittlungsschritt"), bei menschlichen Regungen gegenüber den Opfern und ebenso, wenn es jemand wagt, an ihm Kritik zu üben. Alles eins.
"Ich werde mich beim nächsten Kriminalfall wieder bemühen, die Rechte von Verbrechern, die Bedürfnisse von Opfern sowie die Gesetze und Vorschriften meines Dienstes sachlich zu wahren."
Zum einen hat er als Polizist es mit Verdächtigen zu tun, ob diese Verbrecher sind, haben die Gerichte zu entscheiden. Da scheint es mit der sachlichen Wahrung der Gesetze seines Dienstes sehr zu happern! Und was ist mit den Opferrechten? Die sind bekanntlich im Amstettner Fall mehrfach verletzt worden. Und was die Bedürfnisse der Opfer sind, bestimmt wohl dieser Polizist, der sich nicht entblödet, auch in seinem Leserbrief den Familiennamen der Opfer voll auszuschreiben.
Für den Oberst Polzer haben, wie erinnerlich, auch jene Polizisten, die unlängst einen unbewaffneten Rumänen erschossen, vor jeder Untersuchung
"klar nach Vorschrift gehandelt und auch der Waffengebrauch sei gerechtfertigt gewesen" (Standard)
Gelegentlich, wenn ich beim Friedhof der Namenlosen vorbei gehe und es ist Nebel, habe ich das Gefühl, ich wohne zu nahe bei Niederösterreich.

Ausländer-raus-Matzka reitet wieder

Die Presse berichtet:

"Die Karriere des Asylrechts-Juristen Josef Rohrböck könnte vor ihrem jähen Ende stehen.
Der 50-Jährige ist eines von 51 Mitgliedern im Unabhängigen Bundesasylsenat (Ubas), in der Berufungsinstanz für Asylverfahren. Er behandelt Asylfälle seit 1987 – aber möglicherweise nicht mehr lange: Denn in einem vier Seiten langen Brief wird ihm mitgeteilt, dass im Bundeskanzleramt ein Verfahren eingeleitet worden sei, ihn nicht in den Asylgerichtshof zu übernehmen. Die „persönliche und fachliche Eignung“, heißt es, sei nicht gegeben."
Rohrböck "war der erste Jurist, der in Berufungsverhandlungen auch Anhörungen durchführte – 19 Jahre nachdem das erste Asylgesetz Österreichs in Kraft getreten ist.
Und in den 1990er Jahren hob er im Berufungsverfahren, das damals noch im Innenministerium abgewickelt wurde, Entscheidungen der ersten Instanz (ebenfalls im Innenministerium) auf.
Sehr oft war Auslöser für diese Aufhebungen, dass die Freiheit unbescholtener Asylwerber eingeschränkt wurde – aufgrund einer entsprechenden Weisung des Innenministeriums.
Chef der zuständigen Sektion im Innenressort war damals Manfred Matzka. Rohrböck wurde in den 90er-Jahren im Ministerium zu einer anderen Verwendung versetzt.

Mittlerweile ist Manfred Matzka Sektionschef im Bundeskanzleramt. Und bei ihm laufen die Fäden zur Übernahme der Ubas-Senatsmitglieder in den Asylgerichtshof zusammen."
Manfred Matzka war in jungen Jahren Mitarbeiter der Linksblinkerpostille "Tribüne", die eine Zeit lang innerhalb der SPÖ als Diskussionsorgan für gutes linkes Gewissen fungierte, in den 90ern Sektionschef für Migrations- und internationale Angelegenheiten im Bundesministerium für Inneres, und dort die rechte Hand des zurecht von der FPÖ "als besten Mann Haiders" bezeichneten SPÖ-Innenministers Franz Löschnak:
"Die Neunziger waren die Zeit, als der berüchtigte Sektionschef Manfred Matzka Berufungsfristen auf zwei Tage verkürzen wollte. Von einem Tag auf den anderen verloren Gastarbeiter ihre Existenz. Menschen wurden in den Krieg zurückgeschickt." (Falter)
"Unter Federführung des Sektionschefs Manfred Matzka beschließt die SPÖ/ÖVP Koalition ein neues Asylgesetz - es sollte auf Jahre das restriktivste in ganz Europa bleiben."(Asylkoordination)
Als Manfred Matzka vom Innenministerium mehr oder weniger sanft ins Bundeskanzleramt abgeschoben worden ist, hat es damals eine große Erleichterung bei den Flüchtlingsorganisationen gegeben.
Nun stellt dieser furchtbare Jurist kraft seiner jetzigen Stellung sicher, dass Menschen, die diesem menschenfeindlichen Asylgesetz kritisch gegenüberstehen, von Positionen im Asylgerichtshof ferngehalten werden.
Unmenschlichkeit auf administrativem Wege - auf höherer Stufenleiter, mit Multiplikationseffekt.

"premature antifascist"

Wie bereits erwähnt, wurden in den USA mit Beginn des Kalten Krieges sowohl antifaschistische ImmigrantInnen wie Ernst Bloch oder Alfred Kantorowicz, als auch amerikanische BürgerInnen, die bereits vor dem Kriegseintritt der USA gegen den Faschismus und gegen Nazideutschland kämpften, als "premature antifascist" bezeichnet.
Der Anfang dieses Jahres verstorbene Kämpfer und letzte Kommandant der Abram-Lincoln-Brigade, Milton Wolff, nennt eine seiner autobiographischen Schriften "The Premature Antifascist". Dieser Begriff war aus Sicht der US-Behörden kein Ehrentitel, sondern Anlass zu Schikane und Überwachung.
Ungefähr übersetzt mit "übereilter" oder "frühzeitiger" und etwas neutraler mit "früher Antifaschist" , ist dieser Begriff durch das Groteske seiner Wirkungsgeschichte vielleicht geeignet, als Emblem für die Rolle von Menschen zu dienen, die in irgendeiner Beziehung dem gesellschaftlichen Mainstream voraus sind. Sowas wie antizipatorisches Bewusstsein haben. Also die Übertreiber, die Wirrköpfe und die Un-Vernünftigen. Also, sagen wir wie es ist, die geistige, politische und vielleicht auch moralische Avantgarde, ob Arbeiterbewegung, Frauenbewegung, Umweltschutzbewegung, Friedensbewegung, die heutige (Anti)-Globalisierungsbewegung ...
Anfangs werden die Ideen durch die vereinte Öffentliche Meinung niedergemacht und ihre ProtagonistInnen gesellschaftlich isoliert, im beruflichen und privaten Leben beeinträchtigt und gegebenenfalls verfolgt. Auch wenn dann die Ideen mehr und mehr in vorwiegend verwässerter Form übernommen und hegemonial werden sollten, bleibt den "Frühzeitigen" zumeist wenig Dank. Sie waren eben zu früh dran. Auf ihre Weise ver-rückt. Hätten durch ihre unvernünftigen Aktionen ihrem teilweise vernünftigen Anliegen einen schlechten Dienst erwiesen. Ohne sie wäre die gesellschaftliche Entwicklung wohl rascher vorwärts gekommen. Im Grunde hätten sie diese ja eigentlich sogar behindert...
Womit wir beim unsäglichen Götz Aly sind, dem mit dem zu Archivstaub zerfallenen Herzen: für diesen zu spät Gekommenen sind die früh Wachen keine Avantgarde, sondern eher ein Störfaktor für den gegebenen gesellschaftlichen Mainstream., dem ein autopoieitisches Emanzipationsstreben als teleonomische Konstante zugesprochen wird.Dieser scheint nach Aly interventionslos, quasi von selber, sich Schritt für Schritt sowieso die schönste aller Welten zu basteln zu vermögen. Was ja durch Faschismus und Nationalsozialismus aufs Augenscheinlichste bewiesen wurde, könnte man leicht sarkastisch hinzufügen.
Wobei Autopoiesis wohl viel eher für die gesellschaftliche Frühzeitigkeit zutrifft. Der Begriff, besser die Existenz der "Frühzeitigkeit" hat dagegen was Autopoietisches an sich: Denn diese wird ja erst dazu, wenn durch das Wirken der Frühen die Botschaft in ihren Grundzügen umgesetzt werden kann, also, um es ein wenig pampig zu sagen, in die Zeitlichkeit getreten ist. Das heißt, die Frühzeitigen sind in ihrer gesellschaftlichen Praxis die Bedingung der Möglichkeit zur Konstituierung ihrer eigenen Frühzeitigkeit.
Was irgendwie blöd ist. Denn wenn sie nicht machen, was sie tun - Weltrevolution etwa - dann geschieht es nicht, und sie sind nicht nur nicht Frühzeitige, sondern nichts von gar nichts, weil ja das nicht geworden ist, von wo aus sie als "Prematurierer" gescholten hätten werden können.
Was noch viel blöder ist, wie wir anhand der nicht eingetretenen Weltrevolution leicht überprüfen können.

Von der rassischen Herkunft der Bediensteten des Innenministeriums

Die Übereinkunft der europäischen Innenminister "zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit", welche auf Initiative Schäubles unter dem Deckmantel der Kriminalitäts- und der Terrorismusbekämpfung eine verstärke Überwachung der europäischen Bevölkerung einleiten soll ("Prümer Vertrag"), veranlasste das Europäische Parlament zu Änderungsanträgen, welche die ungezügelte Kontrollitis eindämmen soll.
Im Änderungsantrag 3 fordern sie:
"(3c) Besondere Datenkategorien, die die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse oder philosophische Überzeugung, die Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit, die sexuelle Ausrichtung oder Gesundheit betreffen, sollten nur verarbeitet werden, wenn dies absolut notwendig für den Zweck eines spezifischen Falls und demgegenüber verhältnismäßig ist und in Übereinstimmung mit spezifischen Garantien steht."
Hier geht es also darum, dass bestimmte menschliche Merkmale und private Gesinnung von den Überwachern gar nicht erst erhoben werden sollen - höchsten unter ganz bestimmten Bedingungen.
Nicht ganz klar wird, was unter "rassischer Herkunft" gemeint sein kann, da bekanntlich "Rasse" als Unterscheidungsmerkmal zwischen Menschen seit einiger Zeit dem wissenschaftlichen Wissensstand entsprechend obsolet ist.
Die Aufnahme dieses Begriffs hat jedenfalls einen, sagen wir mal vorsichtig, seltsamen Touch.

Und nun vom großen Europa in the Small Austrian World.
Nach der wochenlangen Torpedierung der Weitergabe der vom Untersuchungsausschuss angeforderten Akten, gab es gestern darüber eine Einigung zwischen Parlamentspräsidentin Prammer, dem Innenminister Platter und dem Ausschussvorsitzenden Fichtenbauer. Und siehe da, obige Formulierung taucht fast eins zu eins wieder auf:
"werden personenbezogene Daten von MitarbeiterInnen des Innenministeriums betreffend ihre rassische und ethnische Herkunft, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben nicht übermittelt."
Was im europäischen Parlament als etwas, was nicht erhoben werden soll, verlangt wird, soll im österreichischen Parlament nur nicht weitergegeben werden dürfen.
Es darf also davon ausgegangen werden, dass das Innenministerium nicht nur über die sexuelle Orientierung seiner MitarbeiterInnen Bescheid zu wissen das Recht zu haben glaubt - weswegen es berechtigterweise auch einen entsprechenden Wirbel gibt -, sondern es als gegeben annimmt, dass es Personalakten gibt, in denen die "Rasse" von Bediensteten des Innenministeriums vermerkt ist.

Gelebter Rassismus sozusagen.

Seltsamerweise hat sich darüber noch niemand aufgeregt.

Mit Nummern wird der Staat gemacht


Das sehr informative Interview mit Anton Tantner,

der Foucaults Hinweis in "Überwachen und Strafen"  dass sich die Historiker noch nicht ausreichend mit dem Phänomen der Karteikarte beschäftigt hätten, auf die quasi Freiluft-Karteikarten, den Hausnummern, anwandte und sich mit der Funktion dieser Durchnummerierung für die Staatsbildung beschäftigt:

Mit Nummern wird der Staat gemacht - futurezone.ORF.at

hat wieder Lust auf das Nummernbuch  gemacht.

Klein und unscheinbar hat sie sich an die Häuser festgemacht: Die Hausnummer. Sie scheint keine Geschichte zu haben, so selbstverständlich, so alltäglich ist sie für uns geworden; doch wie so oft ist ihre Herkunft in jenem Grenzgebiet von Militär, Fiskus und vormoderner "Policeywissenschaft" zu verorten, in jenem "Staub der Ereignisse", der bis vor kurzem nur selten Eingang in die Geschichtsbücher fand. Das vorliegende Buch zeichnet die Geschichte der Hausnummer von ihrer Einführung in vielen europäische Städte im 18. Jahrhundert über die Verbreitung der straßenweisen Orientierungsnummern im 19. Jahrhundert bis hin zur globalen Durchdringung im 21. Jahrhundert nach. Dabei werden auch die Widerstände gegen diese Adressierungs- und Kontrolltechnik beleuchtet, denn die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner waren keineswegs immer glücklich mit dem Umstand, dass ihren Häusern eine Nummer verpasst wurde. Illustriert wird der Band durch eine Vielzahl von Aufnahmen historischer Hausnummern. (Verlagstext)

"Die Hausnummer" gibt es in den Wr. Büchereien, wie ich gerade sehe.
Leider noch nicht die "Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen"













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nicht zu viel zu regieren


(Grundlegender Wandel in den Verhältnissen zwischen dem Recht und der Regierungspraxis um die Mitte des 18. Jhdts)
Das ganze Problem der kritischen gouvernementalen Vernunft wird sich um die Frage drehen, wie man es anstellt, nicht zu viel zu regieren. Man wendet sich nicht mehr gegen den Mißbrauch der Souveränität, sondern gegen ein Übermaß an Regierungstätigkeit oder zumindest an der Bestimmung dessen, was für eine Regierung ein Übermaß wäre, wird man die Rationalität der Regierungspraxis messen können.(29)

Die politische Ökonomie ist, glaube ich, im Grunde das, was die Selbstbegrenzung der gouvernementalen Vernunft zu sichern ermöglicht hat.(30)

Und das größte Übel einer Regierung, das, was sie zu einer schlechten macht, besteht nicht darin, daß der Fürst schlecht ist, sondern daß er unwissend ist. Kurz, über den Umweg der politischen Ökonomie gehen in die Regierungskunst gleichzeitig erstens die Möglichkeit der Selbstbegrenzung ein, d.h., daß das Regierungshandeln sich selbst in Abhängigkeit von der Natur seiner eigenen Handlungen und seiner Gegenstände begrenzt, und zweitens die Frage nach der Wahrheit.
Die Möglichkeit der Begrenzung und die Frage nach der Wahrheit, diese beiden Dinge werden in die gouvernementale Vernunft über den Umweg der politischen Ökonomie eingeführt.(35)

Mit der politischen Ökonomie treten wir also in ein Zeitalter ein, dessen Prinzip folgendes sein könnte: Eine Regierung weiß nie genug, so daß sie Gefahr läuft, stets zuviel zu regieren, oder auch: Eine Regierung weiß nie gut genug, wie man gerade ausreichend regieren soll. (36)

Wenn ich von einer Herrschaft der Wahrheit spreche, meine ich nicht, daß diePolitik oder die Regierungskunst, wenn Sie so wollen, zu jener Zeit rational wird. Ich meine nicht, daß man in jenem Augenblick eine Art von Erkenntnisschwelle erreicht, von der ab die Regierungskunst wissenschaftlich werden könnte. Ich meine, daß dieser Moment, den ich gegenwärtig zu bestimmen versuche, daß dieser Moment durch die Bildung eines bestimmten Diskurstyps über eine Reihe von Praktiken gekennzeichnet ist, der ihn einerseits als eine Gesamtheit konstituiert,... und andererseits auf diese Praktiken in Begriffen des Wahren und Falschen gesetzgebend wirkt und gesetzgebend wirken kann. (36f)
Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität II. Vorlesung 1.


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Let's go Foucin' Again

Nach der langen Schleife Operaismus und Postoperaismus und dann Das Jahrhundert [ - taz; + zeit) und Marx' Gespenster wieder vorwärts zum Anfang. Die Geburt der Biopolitik, sehr brauchbar übrigens das Foucault-Lexikon, natürlich Die Gouvernementalität und Biopolitik. Eventull nochmals Dreyfus/Rabinow. Wenn sich in diesem Sommer auch noch Das unternehmerische Selbst ausginge, wäre ich recht glücklich. Mensch ist ja bescheiden geworden :-)