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Stille mit Bruckner

Anläßlich ihres 80. Geburtstages wird die viele Jahre an der Wiener Staatsoper tätig gewesene Opern- und Konzertsängerin Christa Ludwig in einem Interview in der Presse abschließend gefragt, ob die Musik in ihrem Leben nach der Bühnenkarriere eine große Rolle gespielt habe.
"Eigentlich wird die Stille für mich immer wichtiger. Aber wenn eine Achte Bruckner auf dem Programm steht, dann schalte ich das Radio sicher ein ..."



Gerd Bacher. Vormerkung für Nachruf.

Dieser kleine und höchst durchsetzungsfähige Mann war Gerd Bacher (er ist jetzt in Pension und hat so mehr Zeit für Sex als früher). Niemand nannte Gerd Bacher zur Zeit seiner größten Wirkung Gerd Bacher. Alle nannten ihn Tiger. Tiger, weil er so viele Sommersprossen hatte, daß sie ein Tigermuster auf seiner teigigen Haut erzeugten. Der Tiger war mehrere Jahrhunderte lang der Generalintendant des Österreichischen Rundfunks, des ORF (Oahr-Er-Äff ausgesprochen), jenes Staatsfunks, der mächtiger ist, als das Pentagon und der Vatikan zusammen (mit beiden pflegte Tiger Bacher daher auch rege Kontakte). Tiger Bacher war berühmt für seine bizarren Wutanfälle, für seine gnadenlose Durchsetzungsfähigkeit und für seine beinharte konservative Note.

In Tiger Bacher wohnte aber nicht nur die Kraft einer indischen Riesenkatze, sondern auch die Bosheit des Rumpelstilzchens. Als eine Sekretärin einmal arglos ihren kleinen Fiat auf die riesige freie Fläche neben dem Hauptportal des ORF-Zentrums am Wiener Küniglberg parkte, riß dem Generalintendanten die Hutschnur: Er stach mit seinem Taschenmesser alle vier Reifen des kleinen Sekretärinnen-Fiat auf. Was aber hatte den Fernsehmogul so erzürnt? Die Alleinerzieherin hatte es gewagt, innerhalb einer fünfzig Meter breiten heiligen Fläche zu parken, die einem ungeschriebenem Gesetz zufolge alleinig dem dicken Benz des Gerd Bacher zustand. Wetten, daß die großen Fernsehbosse bei Euch alle kleine Taschenmesser am Schlüsselbund haben?


Gefunden bei Andrea Dusl

3. September 1923 - 27. Dezember 2007



Ach Mutter mach die Fenster zu
Ich glaub es kommt ein Regen
Da drüben steht die Wolkenwand
Die will sich auf uns legen





Wolf Biermann










Der Fremde ist fremd nur

in der Fremde. Auch im Eisenbahnwaggon unter der Brücke mit Fremden. Zum 125.: Für uns Fischer nicht!

Zuckerlbua ist 60


nicht viel mag ich von ihm, aber einiges doch. Und einiges ist tatsächlich knapp genial, z.B.:
Gemma schaun, gemma schaun,

ob der Kaiser wirklich tot is'

ob sei Hemmat bluatich rot is'

oda ob a tachiniert?

Dafür verzeihe ich ihm fast alles, dem Heller Franz.

Kapuscinsky

Wieder einer von den Großen weg.
Ich habe diese wunderbaren Zeilen schon mal hier zitiert. Sie können gar nicht oft genug gelesen werden.

Im Augenblick der Nominierung sah unser Herr den gebeugten Kopf desjenigen vor sich, den er zu hohen Würden berief. Aber selbst der weitreichende Blick unseres Herrn konnte nicht erkennen, was dann mit diesem Kopf geschehen würde. Der Kopf, der sich im Audienzsaal locker auf dem Hals bewegt hatte, veränderte schon beim Passieren der Tür seine Haltung, er hielt sich hoch und steif und nahm eine kraftvolle und entschlossene Gestalt an. Ja, mein lieber Herr, die Macht der kaiserlichen Ernennung war schon erstaunlich! Denn ein ganz gewöhnlicher Kopf, der sich vorher natürlich und frei bewegt hatte, jederzeit bereit, sich zu drehen und zu wenden, zu nicken und zu neigen, unterlag jetzt, gesalbt mit der kaiserlichen Ernennung, einer verblüffenden Beschränkung: von nun an bewegte er sich nur mehr in zwei Richtungen — zum Boden hinunter, in Anwesenheit des ehrwürdigen Herrn, und nach oben, in Anwesenheit der übrigen Menschen. Einmal auf dieses vertikale Geleise gesetzt, war der Kopf nicht mehr beliebig beweglich, und wenn jemand von hinten herantreten und plötzlich rufen würde: »Hallo, mein Herr!« — könnte dieser sich nicht einfach nach dem Rufer umdrehen, sondern müßte die würdige Haltung bewahren und den Kopf mitsamt dem Körper in Richtung der Stimme wenden.
Bei meiner Arbeit als Beamter des Protokolls im Audienzsaal fiel mir überhaupt auf, daß die Ernennung eine grundlegende physische Veränderung in den Menschen hervorrief. Das faszinierte mich, und ich begann, diesen Vorgang genau zu studieren. Vor allem die Figur des Menschen verändert sich. Vorher schlank und biegsam, nehmen die Umrisse jetzt immer deutlicher eine quadratische Gestalt an. Ein massives, solides Quadrat —- Symbol der Würde und des Gewichtes der Macht. Schon die Silhouette läßt erkennen, daß wir nicht irgend jemanden vor uns haben, sondern einen Ausbund von Würde und Verantwortung. Dieser Veränderung der Figur entspricht eine allgemeine Verlangsamung der Bewegungen. Ein Mann, der von unserem ehrwürdigen Herrn ausgezeichnet wurde, wird nicht springen, laufen, hüpfen oder herumtollen. 0 nein, sein Schritt ist gemessen, er setzt den Fuß fest auf den Boden, eine leichte Neigung des Körpers nach vorn signalisiert Bereitschaft, eventuell auftauchenden Hindernissen die Stirn zu bieten. Die Bewegung der Hände ist bedächtig, frei von jeder unkontrollierten und nervösen Gestik. Auch die Gesichtszüge sind strenger und irgendwie gefroren, ernst und verschlossen, aber immer noch fähig, plötzlich Zustimmung und Optimismus anzuzeigen; aber insgesamt wird das Gesicht so, daß wir keinen psychologischen Kontakt mehr mit ihm herstellen können. Man kann sich in seiner Gegenwart nicht mehr entspannen oder aufatmen. Auch der Blick verändert sich. Länge und Auffall-winkel werden anders. Der Blick verlängert sich auf einen Punkt hin, der außerhalb unseres Gesichtsfeldes liegt. Wenn wir daher mit einem Ernannten sprechen, können wir von ihm auf Grund der allgemein bekannten Gesetze der Optik gar nicht gesehen werden, weil sich sein Blickpunkt weit hinter uns befindet. Er kann uns nicht sehen, weil der Einfallswinkel seines Blickes sehr stumpf ist — nach dem sonderbaren Gesetz des Periskops schaut selbst noch der kleinste Ernannte weit über unseren Kopf hinweg in eine unerreichbare Ferne oder auf einen bemerkenswerten Gedanken. Wir haben jedenfalls das Gefühl, daß seine Gedanken vielleicht nicht unbedingt profunder sind als unsere, aber jedenfalls wichtiger und verantwortungsvoller; es erscheint uns daher sinnlos und kleinlich, ihm unsere eigenen Gedanken mitteilen zu wollen, und wir versinken in Schweigen. Aber auch der Günstling des Kaisers verspürt keine Lust zu reden, denn mit der Ernennung verändert sich auch die Art zu sprechen. Volle und klare Sätze machen einem einsilbigen Brummen, Knurren, Räus-pern, bedeutungsvollen Pausen, verschwommenen Worten und überhaupt einem Gehabe Platz, das anzeigt, er habe das alles schon längst und viel besser gewußt. Wir fühlen uns daher überflüssig und gehen. Sein Kopf bewegt sich auf seinem vertikalen Geleis von oben nach unten in einer Geste des Abschieds.
Es kam aber vor, daß der gütige Herr nicht nur beförderte, sondern jemanden — wenn er illoyales Verhalten feststellte — leider auch degradierte oder ihn gar — mein Freund, verzeih mir den harten Ausdruck — mit Schwung auf die Straße warf. Dann konnte man ein Interessantes Phänomen beobachten: In dem Moment, da jemand die Straße berührte, verschwanden alle Anzeichen der Ernennung, die physischen Veränderungen wurden rückgängig gemacht, und der Gefeuerte war wieder wie früher. Er legte sogar eine nervöse und etwas übertrieben scheinende Neigung, sich zu verbrüdern, an den Tag, als wollte er die ganze Angelegenheit vergessen machen, sie mit einer Handbewegung vom Tisch wischen und sagen; »Ach, vergessen wir's«, als handelte es sich um eine Krankheit, die nicht der Rede wert ist.
Kapuscinsky, König der Könige. Eine Parabel der Macht. 1978

Heute ist Sysadmin-Tag

wie jeden letzten Freitag im Juli, so auch heute - Gelegenheit, den Sysadmins, die oft ein solches Bild abgeben müssen, zu danken!
Siehe auch

Idol mit Kopf

    Ich würde Zidanes Kopfstoß nicht als unrühmliches Ende einer ruhmvollen Karriere sehen, oder als unerklärlichen Aussetzer. Meine Legende ist eine andere: Er wollte sterblich bleiben, das heißt im Widerspruch. Das Schicksal, ein allseits gefeiertes Idol zu sein, konnte er noch im letzten Moment ausbremsen. Mit seinem archaiischen Stoß gegen die Brust eines gegnerischen Spielers bleibt er auf ewig in zwiespältiger Erinnerung. Nixda mit dem Nationalhelden des französischen Fussballs, es wird immer welche geben, die gegen ihn sind, weil er wahrscheinlich die WM für Frankreich vergeigt hat, nachdem er das Team erst so weit gebracht hat.
    Irgendwie erinnert er mich an Colin in der "Einsamkeit des Langstreckenläufers":
      "...Eine Zeile glucksbäuchiger Glotzaugen strahlten mich an, und eine Reihe Goldfischmäuler öffneten sich und winkten mir mit Goldzähnen, so daß ich ihnen die Antwort gab, die sie hören wollten, denn mein Trumpf-As wollte ich mir noch aufheben...."
    Bekanntlich blieb der führende Colin dann knapp vor dem Ziel stehen und wartete, bis der nächste Läufer an ihm vorbei lief.

    Die Erzählung wurde 1959 veröffentlicht, der Film von Tony Richardson erschien 1962 (1966, also vor genau 40 Jahren in Deutschland). Wieder dieses ominöse Jahr 1962 (Marcuses "Der eindimensionale Mensch", Foucaults "Wahnsinn und Gesellschaft", Kuhn, "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen"...)

    Zidane also in guter Gesellschaft.
    Soweit meine Legende :-)




Robert Gernhardt 1937 - 2006

    DER LETZTE GAST

    Im Schatten der von mir gepflanzten Pinien
    Will ich den letzten Gast, den Tod, erwarten:
    „Komm, tritt getrost in den betagten Garten,
    ich kann es nur begrüßen, daß die Linien

    sich unser beiden Wege endlich schneiden.
    Das Leben spielte mit gezinkten Karten.
    Ein solcher Gegner lehrte selbst die Harten:
    Erleben, das meint eigentlich Erleiden.“

    Da sprach der Tod: „Ich wollt’ mich grad entfernen.
    Du schienst so glücklich unter deinen Bäumen,
    daß ich mir dachte: Laß ihn weiterleben.
    Sonst nehm ich nur. Dem will ich etwas geben.
    Dein Jammern riß mich jäh aus meinen Träumen.
    Nun sollst du das Ersterben kennenlernen.“

Robert Gernhardt 1937 - 2006 180px-Robert_gernhardt