ÖGB-Kongress - vom donnernden Leben
Redebeitrag beim ÖGB-Kongress zum Bericht 2003-2006.
Beim Lesen der Berichte ist mir ein Lied von Wolf Biermann eingefallen: „Vom donnernden Leben“. Nicht weil die Berichte so von Donner erfüllt waren, sondern wegen der Zeile:
„Das kann doch nicht alles gewesen sein!“
Und auch ich denke mir, das kann doch nicht alles gewesen sein, was in den Berichten steht, da war doch noch was.
So findet sich im Bericht „Organisation“ schön aufgelistet eine Unmenge von Aktivitäten, Kampagnen, was sicher alles wichtig und notwendig war, nur was fehlt, ist eine Analyse der Wirkungen, der Erfolge und der Misserfolge dieser Aktionen.
Da wird über eine Betriebsratskampagne berichtet, u.a. mit einer Betriebsratsversion des Spiels DKT, „Das kaufmännische Talent“, mit dem gehofft wird, dass in den nächsten Jahren tausende Menschen spielerisch auf das Thema Betriebsrat aufmerksam gemacht werden, aber von der konkreten Situation in den Betrieben, vor welchen Problemen die BetriebsrätInnen in den Betrieben stehen, welche Erfolge erzielt wurden, welche Niederlagen, wie die Interaktion zwischen Belegschaften und ihren Vertretungen funktioniert, wie der Transport der Forderungen der Basis und das Feedback nach dem Weg durch die Gremien und den Verhandlungen funktioniert, was ja oft im gegenseitigen Frust endet – von diesen Situationen, die wir ja alle kennen und erleben, davon ist nichts zu finden.
Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, da ja wir hier in diesem Saal wohl das umfassendste, genaueste Wissen über so ziemlich alle österreichischen Betriebsstätten und über die Situation der dort Arbeitenden haben, ein gemeinsames Wissen und Erfahrung – doch im Bericht spiegelt sich nichts davon.
Im Bericht „Grundsatz“ erinnert die Darstellung im Kapitel Volkswirtschaft mit der linearen Verknüpfung von Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung in seiner Eindimensionalität an die Konzeptionen der 50er und 60er – mit dem Unterschied, dass damals von den Gewerkschaften sehr vehement der Anteil der Arbeitenden an den Produktivitätssteigerungen eingefordert wurde, heute dagegen diese Produktivitätssteigerung als Ursache der steigenden Arbeitslosigkeit beklagt wird und als einzige konzeptionelle Aussage dazu das „Weißbuch des Instituts für Wirtschaftsforschung“ zitiert wird, welches die Möglichkeit einer Vollbeschäftigung wenigstens „andeutet“...
Da ist in den Berichten keine Spur von der steigenden Bedeutung immaterieller Produktion sowohl in neuen als auch in den klassischen Arbeitsfeldern, was mit einer immer totaleren Subsumtion des Menschen, des ganzen Menschen unter den Verwertungsprozess des Kapitals einhergeht. Und da ist nichts zu lesen davon, dass prekäre Arbeitssituationen und atypische Beschäftigungsweisen immer weniger sogenannte Randprobleme sind, sondern in rasender Geschwindigkeit zum wesentlichen Moment der sogenannten normalen Arbeit werden.
Als dritten Punkt ganz schnell, weil die Zeit schon abgelaufen ist, möchte ich zum Bericht der Zentralen Kontrollkommission Stellung nehmen, in dem die Vorsitzende schreibt, dass sie keine Möglichkeit hatte und gehabt hätte, Hinweise auf die bekannten Transaktionen in der Bawag-Affäre zu erkennen.
Da wäre es vielleicht doch hilfreich gewesen, wenn auch erwähnt worden wäre, dass diese selbe Vorsitzende der Kontrollkommission auch Aufsichtsratsvorsitzende der "Anteilsverwaltung Bawag" gewesen ist, jener Gesellschaft, über die diese Transaktionen, die dem ÖGB den finanziellen Ruin gebracht haben, gelaufen sind und vor wenigen Monaten noch gesagt hat: "Ein derart umfassender Kontrollanspruch, wie er gut gemeint in den Statuten steht, ist einfach nicht machbar.“
Jedenfalls wirft der Bericht der Zentralen Kontrollkommission mehr Fragen auf als er beantwortet. Hauptsache, es sind alleinige Schuldige gefunden – Weninger und Verzetnitsch.
Zu einem dieser Schuldigen möchte ich ganz zum Schluss noch sagen, das ist mir wichtig, und ich glaube, dass dies auch Rudi Hundstorfer bestätigen wird, dass Günter Weninger nicht nur von mir, der ich ihn als zentralen Referenten in der GdG kennen gelernt habe und später als Vorsitzenden, sondern von allen, die ihn kennen, als bescheidener, ruhiger, sachlicher und ehrlicher Mensch wahrgenommen wurde und niemandem es eingefallen wäre, ihm eine milliardenschwere Hintergehung jenes Vereins zuzutrauen, für den er ein ganzes Leben gearbeitet hat.
Wurde er plötzlich vom Bösen ergriffen oder hängt das vielleicht auch mit unserem Verein zusammen, mit der Struktur, mit der Kultur des ÖGB?
Könnte es sein, dass Positionen, die der ÖGB vergibt, zu Menschenfresserfunktionen werden, dass sie Menschen bis zur Unkenntlichkeit verändern?
Ich glaube, darüber sollten wir uns alle Gedanken machen
Im übrigen bin ich der Meinung, dass sowohl die FCG als auch die FSG der „Gewerkschaft Öffentlicher Dienst“ sich dazu bequemen sollten, endlich die Unabhängigen GewerkschafterInnen der GÖD als Fraktion anzuerkennen.
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