Erlebniszone ÖGB-Kongress


"... am ersten Tag des sogenannten Reformkongresses tagten bis 17 Uhr die Fraktionen. So auch die "Unabhängigen GewerkschafterInnen", zu denen die KIV gehört.
Wir diskutierten den bisherigen Gang der ÖGB-Reform, die TeilnehmerInnen der verschiedenen Arbeitsgruppen und Konferenzen brachten mehr oder weniger übereinstimmend die Einschätzung zum Ausdruck, dass es zwar Diskussionsmöglichkeiten für FunktionärInnen gegeben hat, in den Arbeitsgruppen zum Teil auch sehr gut gearbeitet wurde, aber bis auf die sogenannten Regionalkonferenzen, die vor allem in Wien nicht besonders gut besucht waren und auch nicht besonders gelaufen sind, einfache Mitglieder außen vor blieben. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen flossen in die Beratungen höchster Gremien ein und wurden dort durch das Feuer einander spinnefeinder Gewerkschaftsvorsitzender auf ein für alle Spitzenfunktionäre und Gewerkschaften zuträgliches Maß zusammengeschmolzen. Übrig geblieben sind etliche Absichtserklärungen, die vom Ansatz her nicht so schlecht wären, doch an eine tatsächliche Umsetzung und Weiterentwicklung glaubt kaum jemand der mittleren und unteren FunktionärInnen.
Der überaus kleinste gemeinsame Nenner spiegelt sich auch in den Statuten wieder, nicht einmal die Möglichkeit, die ansonsten jeder andere Verein hat, dass 10 % der Mitglieder einen Bundeskongress erzwingen könnten, oder dass einfache Mitglieder gar Anträge an den Bundeskongress stellen könnten, fand Eingang in die Statuten. Auch die Unvereinbarkeit von gewerkschaftlichen Spitzenpositionen mit politischem Mandat wurde den Fraktionen zur Entscheidung überlassen.
Bei der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten wird es hier bald zur Nagelprobe kommen: R. Hundstorfer verzichtet jetzt endlich auf sein Gemeinderatsmandat. Der nächste Nachrücker ist Christian Meidlinger, der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten ... Aus Sicht der KIV eine klare Unvereinbarkeit. Wir werden sehen, ob dies die FSG auch so sieht.
Dass auf die Erpressung der FCG eingegangen wurde und die Teilrechtsfähigkeit der Gewerkschaften ins Statut aufgenommen wird, läßt die Befürchtung aufkommen, dass dies der erste Schritt zu einer Zerschlagung eines einheitlichen ÖGBs in einander offen befehdende Einzelgewerkschaften sein könnte. Die Ereignisse nach der Nichtwahl des FCG-Vorsitzenden haben diese Befürchtung eher bestärkt.

Die UG hatte 2 stimmberechtigte Delegierte. Es wurde beschlossen, dass sie den Statuten nicht zustimmen, weil sie als ungeeignet angesehen wurden, die hilfreiche Struktur für eine tatsächliche Demokratisierung des ÖGB zu bieten.
Weiters wurden die politischen Anträge diskutiert, die ein Sammelsurium an Forderungen, zum Teil einander widersprechend darstellen, schlecht redigiert und vom politischen Gehalt die Hoffnung versprühend, dass es jetzt vielleicht wieder möglich werde, dass wieder ein keynsianischer Wirtschaftskurs betrieben werde, mit Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum. Da in dem Vielen auch einiges Vernünftige steckte, wurde mit Bauchweh aber doch, den meisten Anträgen von den 2 UG-Delegierten zugestimmt.
Weiters wurden die vorliegenden Berichte des ÖGB 2003-2006 als Schönfärberei und völlig ungenügend kritisiert (siehe beiliegenden Diskussionsbeitrag).
Da die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (Fritz Neugebauer) statutenwidrig sich seit Jahren weigert, die im Öffentlichen Dienst agierenden Unabhängigen GewerkschafterInnen (Schulen, Unis, Rechenzentrum, Ministerien u.a.) als Fraktion anzuerkennen und damit einen Sitz im Bundesvorstand zu geben, haben wir beschlossen, am Schluss jedes Redebeitrags die Fraktionsanerkennung zu fordern.

Die offizielle Eröffnung des Kongresses erfolgte um 17 Uhr. Nach der Eröffnungsrede durch R. Hundstorfer richtete die Vorsitzende der schwedischen Gewerkschaft Lundby-Wedin Grußworte an die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen von Österreich - es dürfte ihr nicht mitgeteilt worden sein, dass sie nicht auf einer Fraktionskonferenz sprach. Nach Reden von Bundespräsident und Bundeskanzler (der von GLB und UG mit Pfiffen empfangen wurde) wurden die Delegierten in Richtung Rathaus entlassen, wo der Bürgermeister zu Tische lud. Das habe ich im Fernsehen gesehen.

Der Dienstag war den Diskussionen der Berichte 2003-06, der ÖGB-Reform und des Statuts gewidmet. UG und GLB stellten viele Redebeiträge, von der FCG gab es nur wenige und von der FSG sprachen außer ein paar Mitgliedern der Jugendorganisationen fast nur die Spitzengewerkschafter. Im Unterschied zu früher wurden wir nicht verbal einbetoniert, sondern im eigenen Gerede stehen gelassen - von der Beton- zur Schlammgesellschaft könnte man in Anlehnung an Foucault sagen.
Am Mittwoch wurden das Politische Grundsatzprogramm und die Anträge der Gewerkschaften nach einem ähnlichen Schema diskutiert.
Die abschließende Wahl brachte die in den Medien berichtete Überraschung: Der Vorsitzende der FCG und die Frauenvorsitzende der FSG erhielten zu wenig Stimmen für ein Mandat im Bundesvorstand. Und schon ist die Diskussion um die Bildung eines Zweigvereins durch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ausgebrochen.


Das Austria-Center, wo die Konferenz stattgefunden hat, versprühte wieder seinen sanften Charme der 70er, die Augen tränten durch die trockene und elektrisch geladene Luft, der Hals wurde immer rauer, es kam da und dort zu Hustenanfällen, viele klagten über Kopfweh und Nackenverspannungen. Im Unterschied zu früher gab es - ÖGB-Sparkurs - weder Mineralwasser noch Mittagessen, was ja an sich o.k. gewesen wäre, doch die 2 Buffets waren heillos belagert. Die Vorbereitung des Kongresses und zum Teil der Ablauf verliefen vielfach chaotisch, die Unterlagen und Anräge wurden oft erst in letzter Minute übermittelt. Aufbruchstimmungen sehen anders aus.

Eine kleine Chance besteht, wenn möglichst viele die wenigen Einflussmöglichkeiten, die es künftig geben wird, auch nützen, dass sich die Reform langsam in Gang setzt. Denn der wichtigste Satz im Reformpapier ist:

Die Reform ist mit dem 16. Bundeskongress nicht zu Ende, sondern beginnt erst."

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