Das K.O.-Prinzip

Konzernfiliale Büchereien
Vom hoheitlichen Amtsdeutsch zum Managerjargon.

Aus dem KIV-MAGAZIN
Seit die Stadt Wien vor fast zehn Jahren dank magistratsdirektoralem Erlass zum Konzern mutiert ist, wird auch zusehends Konzernpolitik betrieben im Wiener Magistrat.

Mit der Einführung des neoliberalen Instruments "New Public Management" ändert sich die Sprache ebenfalls - weg vom hoheitlichen Amtsdeutsch, hin zum Managerjargon. So auch in den Büchereien.

Verwaltung des Mangels


Wurde früher von hierarchischen Entscheidungsprozessen gesprochen, so sind es jetzt "Top-Down"-Abläufe mit begleitenden und der Indoktrinierung widerspenstiger MitarbeiterInnen dienenden Workshopping-Tours. Die Hierarchieebenen werden zu "Kompetenzebenen", die sich an "Leitbildern" (im sakralen Ton gehaltene und damit banalisierte Anhäufung von Selbstverständlichkeiten) orientieren.

Die Verantwortlichkeiten werden z.T. nach unten verlagert, was in der Regel ein Abschieben der Verwaltung des Mangels, vor allem des Personalmangels, bedeutet, ohne die Möglichkeit für die nunmehr "Verantwortlichen", an den Rahmenbedingungen auch mitzuwirken ...

"Kundenorientierungs"-Prinzip


Die BenutzerInnen der Bücherei-Einrichtungen werden zu "KundInnen". Die Betreuung und Beratung dieser "KundInnen" wird zum "Ressourcenfraß" im "Frontoffice". Daher müssen Selbstverbuchungs-Geräte her und Hilfskräfte mit prekären Arbeitsverträgen - nicht zusätzlich, um dem enormen Anstieg der Bücherei-BenutzerInnen besser gerecht zu werden, sondern an die Stelle von fest angestellten BibliothekarInnen.

Auch der Medieneinkauf kostet Zeit, deswegen wird er tendenziell "outgesourct" und die Titelvielfalt wird reduziert. Damit ist genügend Potential vorhanden, um im Sinne des "K.O."-Prinzips, des "Kundenorientierungs"-Prinzips, die Öffnungszeiten trotz verringertem Personalstand zu verlängern und so "konkurrenzfähig" zu bleiben.

Welche Konkurrenz?


Nach dem Motto des "Leitbildes" wären die Büchereien ein "wichtiges Korrektiv" gegen die Ungleichheit zwischen 'Information Rich' und 'Information Poor'. Sie sehen demnach ihre Aufgabe darin, Beihilfe zur Emanzipation von benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu leisten. Hierbei ist von Konkurrenz wenig zu merken.

Doch durch die Schließung der Lehrlingsbüchereien und der Spitalsbüchereien zeigte sich erstmals, dass der Weg für die Büchereien in eine andere Richtung geht: weg von ihrer emanzipativen Aufgabe, hin zur neuen Funktion als HelfershelferIn einer affirmativen Eventkultur, in der für Individuen außerhalb des Mainstreams zusehends weniger Platz ist.

Eine Funktion, in der es wesentlich ist, dass auch in steigendem Maße Einnahmen von den "KundInnen" lukriert werden - und dies als Wert an sich gilt. In welcher der Beratungsaufwand durch vermindertes Personal tendenziell in die Richtung Saturn/Mediamarkt etc. zu gehen droht.

In diesem Sinne gibt es allerdings einen Konkurrenzkampf, der von den Büchereien aber nicht zu gewinnen ist.

Negative Vorreiterrolle

Die Hauptbücherei, so sehr ihre architektonische Erscheinung beeindruckt, hat in dieser Hinsicht eine negative Vorreiterrolle für die anderen größeren Zweigstellen:

* Zerstückelung der Büchereifunktionen,
* abgehetztes Personal,
* lange Warteschlangen für die "Kunden",
* katastrophales Raumklima,
* mangelhafte Ergonomie der Arbeitsplätze
* und zahlreiche andere Probleme, von denen die Abwehr des Einsickerns der Drogenszene nicht das geringste ist.

Optimierung oder Demotivierung

Doch nach dem K.O.-Prinzip wird derzeit daran gedacht, die Öffnungszeit am Samstag zu verlängern, ohne dass das Personal auch entsprechend aufgestockt wird. Also noch mehr Hetze, Überstunden und Fließbandbetrieb. Das nennt sich dann Optimierung. Oder Demotivierung. Jedenfalls "K.O." in der Konzernfiliale Büchereien.

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