Idol mit Kopf

    Ich würde Zidanes Kopfstoß nicht als unrühmliches Ende einer ruhmvollen Karriere sehen, oder als unerklärlichen Aussetzer. Meine Legende ist eine andere: Er wollte sterblich bleiben, das heißt im Widerspruch. Das Schicksal, ein allseits gefeiertes Idol zu sein, konnte er noch im letzten Moment ausbremsen. Mit seinem archaiischen Stoß gegen die Brust eines gegnerischen Spielers bleibt er auf ewig in zwiespältiger Erinnerung. Nixda mit dem Nationalhelden des französischen Fussballs, es wird immer welche geben, die gegen ihn sind, weil er wahrscheinlich die WM für Frankreich vergeigt hat, nachdem er das Team erst so weit gebracht hat.
    Irgendwie erinnert er mich an Colin in der "Einsamkeit des Langstreckenläufers":
      "...Eine Zeile glucksbäuchiger Glotzaugen strahlten mich an, und eine Reihe Goldfischmäuler öffneten sich und winkten mir mit Goldzähnen, so daß ich ihnen die Antwort gab, die sie hören wollten, denn mein Trumpf-As wollte ich mir noch aufheben...."
    Bekanntlich blieb der führende Colin dann knapp vor dem Ziel stehen und wartete, bis der nächste Läufer an ihm vorbei lief.

    Die Erzählung wurde 1959 veröffentlicht, der Film von Tony Richardson erschien 1962 (1966, also vor genau 40 Jahren in Deutschland). Wieder dieses ominöse Jahr 1962 (Marcuses "Der eindimensionale Mensch", Foucaults "Wahnsinn und Gesellschaft", Kuhn, "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen"...)

    Zidane also in guter Gesellschaft.
    Soweit meine Legende :-)




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