Lahme Enten Selbstverbucher

Mit der Eröffnung der neuen Hauptbücherei 2003 hat auch die RFID-Technik Einzug in das Wiener Büchereisystem gehalten. 2004 folgt die Bücherei Philadelphiabrücke als zweitgößte Bücherei . Während die Hauptbücherei das RFID-System auf die Theken- und Selbstverbucherentlehnungen beschränkt, gibt es für die BenutzerInnen in der "Phia" auch die Möglichkeit, die Rückverbuchung selbst zu machen. Beide Büchereien sind an das superschnelle Glasfaserkabelnetz des "Wiener Bildungsservers" angeschlossen. Nach erheblichen Anfangs- und Zwischenproblemen funktioniert das Selbstverbuchungssystem mit der RFID-Technik halbwegs zufriedenstellend. Mit Einschränkungen, aber davon vielleicht ein andermal.
Seit September 2007 sind nun drei weitere, für Wiener Verhältnisse große Zweigstellen (ca. 40.000 Medien, 200.000 Jahresentlehnungen) mit RFID-Chips und Selbstverbuchungsgeräten ausgestattet worden.
Diese Büchereien laufen über das viel langsamere normale Magistratsnetz und auch die Bandbreite wird aus Kostengründen nicht optimiert. Kein Wunder, dass die Verbuchung ziemlich zögerlich vor sich geht. Bei den Ausleihe- und Rückgabetheken funktioniert es halbwegs, wenn auch langsamer als die vorher verwendete Methode mit Barcode und Lesegerät, gelegentlich werden die wartenden BüchereibenutzeInnen unruhig, wenn die Bibliothekarin schweigend für längere Zeit in den Bildschirm starrt. Es entsteht der Eindruck, dass irgendwas nicht in Ordnung sei, doch ist es nur das Warten auf den gemächlichen Bildschirmaufbau bei der Verbuchung.
Ärgerlicher ist das Ganze bei den Selbstverbuchungsgeräten. Monatelang bedurfte es einer überdurchschnittlichen Fingerfertigkeit, die Leserkarten zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Winkel so in den Lesestrahl zu halten, dass sie auch eingelesen werden konnten. War das nicht der Fall, dann erschien nach einem kurzen Timeout wieder der Anfangsbildschirm. War diese Hürde überprungen, funktionierte in der Regel die Verbuchung von Büchern langsam aber doch. Die von CDs gelegentlich, von Medienpaketen zumeist gar nicht. Was nicht nur bei den BenutzerInnen zu ausgeprägten Frusterlebnissen führte, sondern auch bei den BibliothekarInnen, welche natürlich danach trachteten, den BenutzerInnen die Scheu vor dem Gerät zu nehmen und ihnen zu vermitteln, dass es eh ganz einfach sei. Wenn sie es dann vorführten, und unter den Augen der LeserInnen ebenfalls scheiterten, erlitt die Motivationskurve gelegentlich einen Knick und das Selbstbewusstsein einen Knacks.
Nach einigen Monaten ließ sich die Sache mit dem Einlesen der Karten beheben, es war einfach ein Konfigurationsfehler im Programm gewesen.
Die Geschwindigkeit ist weiterhin quälend langsam und die Geräte sind alles andere als eine Attraktions fürs Publikum. Die ursprünglich von drei auf zwei Theken reduzierten "Menschenportale" mussten nach zum Teil massiven Protesten der LeserInnen wieder auf drei erhöht werden.
Da es mit der Einführung der Selbstverbuchung auch eine Erweiterung der Öffnungszeiten gegeben hatte, verbringen die Bediensteten entgegen den vollmundigen Versprechungen der Leitung mehr Zeit als zuvor an den Ausleihetheken. Denn auch nach Monaten werden die Selbstverbucher durch die vielen Frusterlebnisse nur von einem Bruchteil der LeserInnen benutzt.

Ein Blick in die Hardware der Selbstverbuchungsgeräte zeigte nun, dass der Magistrat zwar unendlich viel Geld auszugeben bereit ist, damit der nominelle Personalstand eingefroren bleibt oder vermindert wird, aber dort wo die Schnittstelle BürgerInnen/Dienstleistung ist, sich nur zu symbolischen Aktionen bereit findet und das Angebot damit real verschlechtert:
Im Gehäuse der 2007 angeschafften Selbstverbucher stecken 600Mhz-Celeron-Prozessoren (Baujahr 2000) mit 491 MB Arbeitsspeicher!
Nach dem Start des auf Oracle basierenden Bibliothekssystems gibt es noch 89 MB freien Speicher. Noch vor jeder Verbuchungsaktion!

Das heißt, die Wirkung des vielen Steuerzahler-Geldes, welches in das neue System hinein gesteckt worden ist, verpufft weitgehend, weil genau an der Schnittstelle zu den BürgerInnen auf geradezu dumme und fahrlässige Weise an der Hardware gespart wurde.
Das Ergebnis sind unzufriedenere BüchereibenutzerInnen, denn durch die Verlängerung der Öffnungszeit verdünnt sich auch der Personalstand, was eine Verringerung der Beratungsmöglichkeit nach sich zog, und gestresste Bedienstete, die sich wieder einmal fragen müssen, ob die Professionalität, die ihnen abverlangt wird, ab einer gewissen Hierarchiestufe zu den überflüssigen Eigenschaften zu gehören scheint.

Die MA 13 plant übrigens, weitere, kleinere, Zweigstellen mit RFID zu versehen.

Trackback URL:
https://haftgrund.twoday.net/stories/4790080/modTrackback