Raus- und Reinlese

Die konservative Revolution vom Mohler kugelt noch immer herum, die sollte doch schon längst zurück gegeben sein, auch die Operation Epsilon habe ich schon lange dem S. versprochen, den Arbeiter und den Eumeswil erspar ich mir vorerst, fürs erste habe ich genug vom Käferkönig. Auch seine totale Mobilmachung nicht weiter gelesen, da ich nur die von ihm später gereinigte Fassung hatte. Die Horuckschriften aus der militaristischen Epoche machen nur Sinn in den Originalfassungen, in den Gesammelten Werken ist so viel wegredigiert, dass man fast den Eindruck kriegt, der gute Ernst war immer schon ein schöngeistiger Gutmensch. Da die Cioranschen Tagebücher in der deutschen Ausgabe ohne die markigen Sprüche aus der Zeit in der Eisernen Garde auskommen, ist auch hier mein Interesse gesunken, weil nicht unwesentlicher Teil seins Denkens damit ausgeklammert wird. Macht, Geist, Wahn, Hitlers Volksstaat, Volkes Stimme und Unser Kampf erledigt. Trotz unzweifelhafter Qualitäten und origineller Sichtweisen Götz Alys auf die Mentalitätsgeschichte der Nazizeit scheint es doch keinen so radikalen Bruch zum 68er-Bashingbuch zu geben wie vorerst von mir angenommen. Eine gewisse Vorliebe, den Blick auf das einmal Fokussierte festkleben zu lassen und den Archivfund vorwiegend als Beweismittel statt als Reflexionsanlass zu nehmen, läßt sich in allen genannten Publikationen vermuten. Die unheimlichen Publizisten sind eher zufällig in meine Hände geraten, da die Katzen meinten, ich sei als Unterlage für ihren Nachmittagsschlummer bestens geeignet und somit angesichts des eingeschränkten Bewegungsspielraums mir nur eine geringe Buchauswahl zur Verfügung stand - und da sind es eben die Nazipublizisten im Regal neben dem Sofa gewesen. Sie konterkarieren sehr gut Alys These, dass die Aufarbeitung der Nazizeit in den 60ern ohnehin vom politischen Establishment geleistet wurde statt von den Achtundsechzigern. Fertig gelesen den Ochsen von Kulm aus der Hinterlassenschaft meiner Mutter bzw. war es ein Buch, das ich mit ca. 10 Jahren geschenkt bekommen habe. Interessant daran ist, dass es von der Fiktion lebt, dass die bayrischen Bauern eine Art nationalen Abwehrkampf gegen die amerikanischen Besatzer führten. Völlig ausgeblendet wird die Vorgeschichte - Nazideutschland - und dass antiamerikanische Ressentiments nicht nur aus dem Widerstand gegen Flugplatzbauten in diesem Gebiet und dem Drang nach einem friedlichen geeinten Deutschland stammen, sondern wesentlich aus der real existierenden Naziverseuchung. Wie da ein DDR-Autor für die DDR-Bewohner eine Welt der "echten Patrioten" gegen die fremden Besatzer entwirft, gehört wohl zu den skurrilsten Episoden des Kalten Krieges. Völlig ungeniert wird die nationale Karte ausgespielt. Dabei liest sich das Buch sehr flott und ist zum Teil auch sehr witzig und die Idee, dass ein Bauer, der wegen einer illegalen Schmieraktion ("Ami go home - wir wollen die deutsche Einheit") für 30 Tage ins Gefängnis soll, mit Hilfe eines geborgten Ochsen die bayrische Bürokratie durcheinanderwirbelt und schließlich als sein eigener Bewacher fungiert, erinnert ein bißchen an O.M. Graf.
Ansonsten bin ich wieder beim Kantorowicz angelangt, zwischen dem Deutschen Tagebuch das Exil in Frankreich, dazu Feuchtwangers Teufel von Frankreich. Nossacks Tagebücher 43-77 und Mauriacs Düsteren Jahre liegen bereit, das Klingsor-Paradox als Nachwehen zum Heisenberg ist gerade fertig geworden; ambitioniert aber m.E. nicht wirklich gelungen. Mitten drinnen bin ich im Paxton, Anatomie des Faschismus, eine der großartigsten Analysen ever read.
Der Lesefrühling läßt sich gut an.

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