Revolution im Donaupark und Umgebung

Im Wienblog, in dem immer wieder sehr informative und erfreulich sarkastische Betrachtungen über Wien zu finden sind, macht sich der taz-Korrespondenten Wolfgang Koch mit einer gewissen Berechtigung lustig über die Sammelaktion der von ihm so genannten "linken Wiener Schickeria" [wobei mir schleierhaft ist, was an Exinnenminister Blecha links sein soll und was an Elfriede Jelinek "Schickeria"] im Verein mit der Österreichisch-Kubanischen-Gesellschaft: "41 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod im Hochland Boliviens soll eine realistische Bronzebüste des argentinische Rebellen Ernesto »Che« GUERVARA DE LA SERNA den Wiener Donaupark verschönern. Da das Werk der Bildhauerin Gerda FASSEL satte 28.000 Euro kostet, hat Jelinek mit dem SP-Pensionspolitiker Karl BLECHA, mit dem Literaturprofessor Wendelin SCHMIDT-DENGLER, u.a. ein Personenkomitee ins Leben gerufen, das die notwendige Summe bei einem Golfturnier unter dem augenzwinkernden Titel »Che-rity« hereinbringen will.
Golf? – Aber ja doch, denn ironisch gibt man sich in Österreichs am lieben. Ausserdem soll der Bilderbuchrevolutionär Che, dem sich im Kino demnächst ein viereinhalbstündiges Epos von Steven SONDERBERGH widmen wird, in Echt ein begeisterter Golfspieler gewesen sein."
Weiters schreibt er vom linken Kitsch, von der "verschwitzten Bubenfantasie", in diesem "kommunistische(n) Reserve-Christus" einen heroischen Kämpfer zu sehen, und davon, dass Guevara Massenerschießungen zu verantworten hatte.

  • Ich denke, die scharfe Kritik an Guevaras Leben und Wirken ist nicht unangemessen und die angeführten Beispiele, die dazu angetan sind, ihn als revolutionäres Vorbild zu disqualifizieren, inzwischen weitgehend belegt. Wesentlich wäre aber, welche Schlüsse aus dieser Differenz von Traum und Wirklichkeit zu ziehen sind (was von einem Blogbeitrag natürlich nicht zu fordern ist).
  • Das mit der "verschwitzten Bubenfantasie" sehe ich etwas anders. Ernst Bloch hat irgendwo die Karl-May-Lektüre als Hinausfantasie und damit Infragestellen des begrenzten realen Daseins verteidigt - er selber hat ja stets mit großem Vergnügen Trash aller Art gelesen -, ähnlich würde ich diese Fantasien, die sich einen imaginären Helden gegen das real existierende Böse zimmern, nicht so entschieden negativ beurteilen, sondern als eine Art Traum des richtigen Tuns im falschen Leben ansehen, mit im Einzelnen durchaus positiven Auswirkungen.
  • Entschieden zu widersprechen ist allerdings die Bezeichnung Salvador Allendes, der im nächsten Monat übrigens seinen Hunderter feiern würde und bereits im Donaupark als Büste aufgestellt ist, als Antisemiten. Da übernimmt der taz-Redakteur ungeprüft die längst widerlegten Verleumdungen von Victor Farias. Dabei hätte er nur im eigenen taz-Archiv nachschauen müssen, in dem - wie auch in der NZZ, im Freitag und in anderen Publikationen detailliert die Lügen von Farias enthüllt werden.
  • Zum "linken Kitsch": wahrlich, da hat er recht. Wobei es wert wäre, sich mal näher mit den radikalen Träumen der österreichischen Sozialdemokratie zu befassen, die umso radikaler werden, je weiter weg sie lokalisiert sind. Betrifft nicht nur die Unterstützung von Revolutionsbewegungen ohne nähere Hinterfragung, die unreflektierte Übernahme antiisraelischer Haltungen bis knapp hin zum Antisemitismus, sondern auch die flammenden und so was von konsequenzenlosen Anträge von sozialdemokratischen Jugendorganisationen in den diversen Konferenzen gegen Faschismus, Nationalsozialismus, Rassismus und für einen aufrechten Gang oder so. Einige Generationen von Junggewerkschaftern (ausschließlich männliche Form ist angebracht) aus der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten habe ich da schon erlebt, solche Anträge mit bebender Stimme in den Landeskonferenzen und Gewerkschaftstagen zu stellen, um jeden Halbsatz zu kämpfen - parallel dazu dienten sie sich brav in die Organisation hinauf und sind heute in höchsten Positionen genauso stur und dämlich - nur etwas zynischer noch - als jene, gegen die sie damals mit Dritte-Welt-Parolen angerannt sind.
    Auch die heimliche Liebe relativ ranghoher SPÖ-Politiker zum Anarchismus wäre des Verweilens wert :-)

Außerdem: Über die solch "realistischen Betonbüsten" zugrunde liegende Ästhetik ließe sich auch noch einiges diskutieren. Ein weiteres, meinem simplen ästhetischen und politischen Gefühl nach abschreckendes Beispiel ist gerade in Argentinien fertig geworden, wie ich dem Che-Blog entnehme:

"Ich möchte ein Denkmal für Che Guevara errichten. Ich bewundere seine Ethik und die Art Mensch, die er repräsentiert." Mit diesen Worten trat der argentinische Bildhauer Andrés Zerneri im Jahr 2005 an die Öffentlichkeit. Nun, kurz vor dem 80. Geburtstag Che Guevaras, ist es vollbracht, die Bronzestatue ist fertig. Für seine Fertigstellung bat der Künstler um Bronzespenden. Mehr als 15.000 Menschen folgten dem Aufruf und spendeten alte Schlüssel, Scharniere, Schüsseln, ...
Am 14. Juni 2008, zum 80. Geburtstag, soll die Statue in Guevaras Geburtsstadt Rosario eingeweiht werden. Es wird das erste Denkmal für den Revolutionär in Argentinien sein.
Zerneri zeigte sich über die rege Beteiligung der Bevölkerung äußerst zufrieden. Mehr als 3000 Kilogramm Bronze spendeten sie für das vier Meter hohe Monument."

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