Rebellion

Ein stellenweise wunderbares Buch, das ich jetzt in einem durch, leider zu oberflächlich, gelesen habe: "Das Jahrhundert", die Vorlesungen von Alain Badiou. Eine Stelle zu einem Text von André Breton, die den Atem raubt:
Dann kommt der sehr schöne Passus, der behauptet, dass die Rebellion, die sich nicht an ihren Ergebnissen messen lassen muss, dem Leben vollkommen angemessen ist. Die Rebellion ist vitaler Funke (also die reine Gegenwart), "völlig unabhängig von den etwaigen Möglichkeiten, den Sachverhalt, der sie ausgelöst hat, zu verändern". Die Rebellion ist eine subjektive Figur. Sie ist nicht Motor einer Veränderung der Situation, sie ist die Wette, dass man das Vorzeichen des Exzesses verändern kann.

An dieser Stelle betritt der Vertreter der Resignation, den Breton den elenden Priester nennt, die Bühne. Seine List geht nicht dahin, die Rebellion direkt schlecht zu machen. Vielmehr bedient sich der "Priester" jener tückischen Stimme, die heute überall murmelt oder zetert, der Stimme der Politiker, der Essayisten und der Journalisten. Diese Stimme verlangt Tag für Tag, man solle die Rebellion an ihren Ergebnissen messen und sie allein unter diesem Kriterium mit der Resignation vergleichen. Mit bescheidenem Triumph beweist sie dann, dass die Rebellion, bei objektiv vergleichbaren oder sogar geringeren Ergebnissen, ein Äußerstes an Leben, an Schmerzen, an Dramen kostet. Diese omnipräsente, "realistische" Stimme ist es, der Breton großartig entgegnet, dass sie bloß der "unverschämten Lüge" Ausdruck verleiht, denn die Rebellion unterhält mit der Pragmatik der Ergebnisse keine Beziehungen.

gitano - 2007.05.21, 17:34

Rebellion

Daß die Rebellion sogar ein ästhetisches Kulturereignis ersten Ranges ist, wissen wir nicht erst seit den Surrealisten und der ihr von akademischen Winkeladvokaten neuerdings angedichteten Subversivität.
Der alttestamentarische Ishmael ist der mythische Ahnvater dieser Gedankenfigur (1, Mose 16.12.)
Trotzdem tut es gut, mal einen vernünftigen Gedanken festgeklopft zu lesen.
Wäre es anders, müßte folgender Satz über die verschiedenen Kreuzzüge wider den Unglauben anderer Leute zu massenhaften Kirchenaustritten führen: "Christi Kreuz kann ja nur pflanzen, wer über tausend Kreuze nicht strauchelt." (Albert Vigoleis Thelen: die Insel des zweiten Gesichts)

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