KinderkundInnen und positives Eigenmarketing

Im aktuellen Rundschreiben für die MitarbeiterInnen der Büchereien über die Büchereiangebote für Kinder fällt eine gewisse Tendenz zur Bürokratisierung auf. Positiv formuliert könnte man das auch als  genauere Definition von dienstlichen Vorgaben bezeichnen.
 
Nicht verzichtet wurde jedenfalls auf die Verwendung jenes neoliberalen Jargons, in dem alle Menschen zu Kunden oder zu Zugekauften werden und jede Tätigkeit nicht zuletzt aus einer Marketingperspektive - wenn hier auch etwas holprig als "positives Eigenmarketing" bezeichnet - betrachtet wird:
Neben der Leseförderung (...), dienen Angebote für Kinder auch dem positiven Eigenmarketing der Büchereien ...

Kinderveranstaltungen werden überwiegend von extern zugekauften ExpertInnen und ehrenamtlich tätigen Personen bestritten

Animationen sind (...) Programme der Büchereien Wien, die (...) der Gewinnung und Bindung von KundInnen dienen.
Bislang ist alles vorwiegend Jargon, um nicht das "b...t"-Wort zu verwenden. Nun geht es ans Eingemachte:
Die Finanzierung der Honorare von extern zugekauften KinderanimateurInnen erfolgt im Rahmen des Veranstaltungsbudgets der Büchereien Wien. Den MitarbeiterInnen gebührt für die Durchführung einer Kinderanimation eine Nebengebühr in Form der Kinderanimationszulage.

Da Kinderanimationen aufgrund der dafür gebührenden Zulage bzw. des Honorars mit erheblichen Kosten verbunden sind, können Kinderanimationen nur für die nachstehenden Zielgruppen [2. und 4. Volksschulklassen und Kindergartengruppen] angeboten und durchgeführt werden.
Diese Sache mit den erheblichen Kosten hatte ein Vorspiel und wird wahrscheinlich noch ein Nachspiel haben: Im Nebengebührenkatalog steht nichts von Kinderanimationen und Qualifikationserfordernissen, sondern es wird ein bestimmter Satz für jede "Vorlesestunde" genannt. Da auch früher darauf geachtet wurde, dass für möglichst viele Schulklassen (allerdings ohne Beschränkung auf 2. und 4. Volksschulklassen) die Möglichkeit einer Kinderanimation realisiert werden konnte und die Budgets schon immer knapp bemessen waren, wurden für einfachere animatorische Tätigkeiten die halbe Gebühr, für  aufwändigere Veranstaltungen die volle Gebühr bezahlt.
Das funktionierte etliche Jahre zur allgemeinen Zufriedenheit.

Im Zuge ihrer Einkommensreduzierungsaktionen für BibliothekarInnen wollte die MA 13 die halbe Nebengebühr als Norm fixieren und gleichzeitig die Entschädigung für EDV-Supportleistungen von Bediensteten abschaffen. Da die Personalvertretung  nur über eine Lösung beider Probleme zu verhandeln bereit war, kappte die MA 13 einseitig die Supportentschädigung aus angeblich formalen Gründen. Daraufhin wurde sie von der Personalvertretung darauf hingewiesen, dass es rein formal auch keine Halbierung von zustehenden Nebengebühren gebe.

Seither werden die "Vorlesestunden" voll ausbezahlt. Was schon im Vorjahr zu budgetären Engpässen geführt hat und die Bediensteten zum Teil bereits fixierte Kinderveranstaltungen wieder absagen mussten, da kein Geld dafür vorhanden war.

Statt einer Wiederaufnahme von Verhandlungen mit der Personalvertretung  wird nun einerseits die Erhöhung der Anforderungen für Kinderanimationen dekretiert:
Qualifikationserfordernisse: Mindestens seit einem halben Jahr bei den Büchereien tätig. (...) Absolvierung der 2-teiligen Fortbildungsreihe „Basics für Kinderanimationen“, Absolvierung von 3 Lehranimationen (Hospitation bei erfahrenen KinderanimateurInnen) (...) Supervision bei der ersten eigenständigen Kinderanimation durch eine/n erfahrene/n Kollegin/Kollegen (...) Erwünscht mindestens 6 Fortbildungsstunden/Jahr aus dem Bereich „Bibliotheksarbeit für Kinder“ sowie die regelmäßige Teilnahme am Kindernetzwerk der Büchereien Wien.
und andererseits die Reduzierung auf Kindergärten und 2 Klassenstufen der Volksschulen sowie die Ausklammerung von Haupt- und Mittelschulen verlautbart.

Ein bürokratisches Regelwerk zu erstellen scheint allemal leichter zu sein, als auf die Erfordernisse der Büchereiarbeit und auf die Ansprüche der Bediensteten einzugehen.

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