Das Bibliotheksportal hat einen in den USA entwickelten "Bibliothekswertrechner" adaptiert und bietet ihn für Bibliotheken und Büchereien für ihre Webauftritte zum Download an, denn:
Der Wert Ihrer Bibliothek ist ja eigentlich unschätzbar: als Lernort, Familientreffpunkt, Informationszentrum, Schatzkammer, Raum für Konzentration, Zeit(reise)maschine und vieles andere mehr.
Dennoch - Bibliotheken zahlen sich aus. Wie viel ist ein Bibliotheksbesuch wert?
Was als nette Spielerei daherkommt, scheint bei näherem Hinsehen ideologisch ziemlich aufgeladen zu sein.
Es reiht sich ein in die Kostenaufstellung, welche Kassenpatienten bekommen, damit sie wissen, was ihre Behandlung "wert" ist und korrespondiert mit dem dummen Spruch "was nichts kostet, ist nichts wert".
Denn welche Botschaft sollen die BibliotheksbenutzerInnen aus dem Ergebnis dieser Berechnung der in Anspruch genommenen Dienste herauslesen?
Dass der Betrieb von Bibliotheken was kostet?
Vermutlich wissen das die meisten.
Dass die Finanzierung aus Steuergeldern erfolgt und aus den Benutzungsbeiträgen?
Scheint auch wenigen verborgen zu bleiben.
Und für diejenigen, die es doch noch nicht wissen, könnte eine große Tafel im Eingangsbereich mit einer detaillierten Aufstellung des Bibliotheksbudgets nützlich sein.
Am Besten im Verbund mit einer zweiten Tafel, auf dem die Budgets für andere Einrichtungen und kommunalen Events aufscheinen, die oft um ein Vielfaches höher sind.
Doch so etwas gäbe natürlich Ärger mit den Bibliotheksbetreibern.
Da ist es doch viel geschmeidiger, den BüchereibenutzerInnen vor Augen zu halten, wie gut das Land, die Kommune, zu ihnen ist, auf dass sie dankbar seien und ohne Mucks Verspätungs- und sonstige Gebühren berappen. Und auch sonst im Leben nie darauf vergessen, dass sie ein Kostenfaktor sind.
Nebenbei: die zugrunde liegenden Einheiten beim Bibliothekswertrechner gehen offenbar davon aus, dass die jeweiligen Benutzerinnen Robinsone seien, die als einzige die Bibliothek benutzen, denn es wird u.a. der volle Einkaufspreis der einzelnen Medien angerechnet. Auf diese Weise kommen natürlich ziemliche Summen zusammen, die völlig außer acht lassen, dass die Medien einem massiven Sharing unterworfen werden und die Bibliothek eben von Vielen benutzt wird.
Ein weithin bekannter und zeitweise sehr exzessiver Bibliotheksbenutzer hat sich einstens über solche "Robinsonaden" ziemlich abfällig geäußert und zu Recht lustig gemacht.
Billige Kritik
Ach, wären Sie mir doch vor ein paar Jahren über den Weg gelaufen! Ich hätte Sie sofort geheiratet und vor Altar und Notar geschworen, Sie so teuer zu kommen, wie es nur irgend in meinen Kräften steht. :-)
Für öffentliche Dienstleistungsangebote bezahle ich auf jeden Fall, einmal über via Steuer – unabhängig davon, ob die Angebote tatsächlich nutze -, und, falls ich sie nutze, ein zweites Mal über die vor Ort erhobenen Gebühren. In beiden Fällen liegt es im Interesse der öffentlichen Hand zu suggerieren, dass die Kosten unvermeidlich exorbitant sind: auf dass ich ohne Murren zahlen möge. Der Bibliothekswertrechner, wie ich ihn verstehe, geht noch einen Schritt weiter: Er lässt meine (und Ihre) Steuerleistung diskret untern Tisch fallen und betont bloß, dass meine läppischen Bibliotheksgebühren nicht mal annähernd reichen, um die durch meine Lesewut entstehenden Kosten zu decken bzw andersrum, welches Vermögen es mich kosten würde, all diese Leistung auf anderem Weg zu beschaffen ... Es ist aber nun mal der Sinn öffentlicher Dienstleistungen, dass die Allgemeinheit sich die Kosten für Angebote teilt, die der Einzelne gar nicht oder nicht im nötigen Umfang tragen könnte. Ich kann keine Eisenbahnlinie betreiben, mir nicht Straßen quer durchs Land bauen, keine Universität für mich allein errichten, und mein Wohnzimmer nicht zur Bibliothek mit einer Million Medien umbauen. So what?
Und selbst wenn der Wertrechner nicht irgendwelche Phantasiezahlen (Mondpreise heißt das im freien Wirtschaftsleben) ansetzen würde, sondern die realen Kosten, und diese wiederum auf die realen NutzerInnenzahlen umgelegt: Dann sagte das immer noch nichts, aber auch schon gar nichts darüber aus, ob diese Kosten auch gerechtfertigt sind, oder ob der jeweilige (halb-)öffentliche Dienstleister nicht unangemessen verschwenderisch wirtschaftet.
Richtig ist, dass die Bibliotheksträger mit Tauschwerten rechnen müssen, da diese sich ja als Budgetposten wiederfinden (die BibliothekarInnen natürlich auch).
Aber der Gebrauchswert der Bibliotheken und Büchereien kann sich für Träger, BibliothekarInnen und NutzerInnen als sehr unterschiedlich erweisen. Hierbei eine annähernde Deckungsgleichheit zu erzielen, bedarf sicherlich einer großen Überzeugungskraft der BibliothekarInnen gegenüber den TrägerInnen, am Besten unterstützt durch öffentlichen Druck, und eine optimale Annäherung an die Bedürfnisse von NutzerInnen und potentiellen NutzerInnen.
Eine Bibliothek dagegen, die ihre(n) Gebrauchswert(e) auf die bloße Tauschwertform reduziert (reduzieren läßt), hat, so scheints mir, von vornherein verloren.
Die "Werte" können da nur falsch sein: entweder, wie im Bibliothekswertrechner, wird der Einkaufspreis des Mediums als "Leistung" berechnet, dann ist der Betrag - wenn man den Werteverfall durch mehrmalige Benutzung hernimmt - viel zu hoch angesetzt. Wenn man andererseits den tatsächlichen Aufwand pro bereitgestelltem Medium zu berechnen versucht, dann erscheint jener Betrag wiederum viel zu niedrig zu sein.
Zum Spruch "Was nichts kostet ..." kann ich mich nur dem pointierten Kommentar von Hedonistin anschließen.
Völlige Zustimmung dagegen, dass BibliothekarInnen in der Regel keine revolutionären Subjekte sind, da deren Schüsse vermutlich eher nach hinten losgehen dürften. Und sicherlich ist es unergiebig, wenn sich in diesem Berufsstand Pseudorevoluzzer tummeln. Zielführender scheint es wohl, wenn in allen Berufen der Gedanke, dass eine andere Welt möglich sei, nicht ganz fremd ist.
Und: "langt nur kräftig zu!" sagte meine Mutter immer, wenn sie aufgetischt hatte :-)