Auch Büchereien sind kein Gulasch

In einem Interview in der Gratis-Illustrierten wien-live stellt die für die Wiener Büchereien zuständige Stadträtin Laska fest:

"Die Städtischen Büchereien haben ein sehr breites Aufgabengebiet. Vom Modell der kleinen Filiale - wo ich hingehe und mir ein Buch ausborge und nach 14 Tagen wieder zurückbringe - haben wir uns inzwischen weit entfernt.
Die Büchereien bieten jetzt vor allem Kommunikationsräume an. Bestes Beispiel ist die Hauptbücherei am Gürtel. Das ist ein Kommunikationszentrum erster Güte, wo Veranstaltungen stattfinden, wo Lernen vor Ort möglich ist, wo natürlich auch die neuen Medien genutzt werden können und wo es auch fachliche Beratung gibt."


Sie fallen von einem Extrem ins Andere. Jahrzehntelang ist in die Politikerköpfe nicht hineingegangen, dass Büchereien etwas anderes und mehr sind als eine Romanschwemme. Wenn sie dann vor Ort, wie die zuständige Stadträtin, nicht mehr übersehen können, dass die Bediensteten der Büchereien aus eigener Initiative mehr aus der Einrichtung machen, als sie sich je vorstellen hätten können, wird nunmehr diese Büchereiform zum einzigen Modell, das abgerufen wird, wenn das Keyword "Büchereien" fällt.
Und blenden aus, dass es schon aus Platzgründen und aus Gründen des BenutzerInnenbedarfs auch heute noch etliche Zweigstellen gibt, die nicht viel mehr sein können, als eine Einrichtung, die ein bedarfsorientiertes Sortiment bereit stellt für LeserInnen, die in die Bücherei nicht der Kommunikation und des Events halber hingehen, sondern um sich ganz einfach Bücher auszuborgen. Übrigens für vier Wochen und nicht für zwei.

Diese Stadträtin ist es im übrigen gewesen, welche jenen Büchereitypus trotz massiver Proteste (siehe Bilder) gekillt hat, dessen wesentliche Funktion nicht die Entlehnung von Medien war, sondern vor allem als Kommunikationstreffpunkt diente. Der aber dennoch - oder gerade deswegen - nachgewiesenermaßen als barrierefreier Zugang zur Bücherei für sogenannte bildungsferne Schichten diente.
Gemeint sind die Lehrlingsbüchereien, die vor einem halben Jahrzehnt als nicht dem Kerngeschäft der Büchereien zugehörig angesehen wurden.
Die jahrelange wertvolle Arbeit unter anderem auch im integrativen Bereich (da ja viele Lehrlinge nicht Deutsch als Muttersprache haben) war auf einmal nichts mehr wert.
Was zählte, waren nur noch Events und schnelle Ergebnisse, die wohlwollende Medienberichte nach sich zogen. Mittelfristig und langfristig wirkende Büchereiarbeit verschloss sich dagegen simplen Quantifizierungen, sondern war nur durch ein bißchen Nachdenken nachvollziehbar.

Die Stadträtin, die möglicherweise bald zu ihren Wurzeln zurück findet, beschreibt es selber im Interview:

"Aber im Grunde genommen ist es natürlich so, dass das Dankeschön und das unmittelbare Erfolgserlebnis weder im Unterricht noch in der Politik die erste Kategorie sind. Ich habe ja auch die Welt der Gastronomie kennengelernt, weil ich durch den Beruf meiner Eltern in der Gastronomie groß geworden bin.
Dort konnte ich etwas völlig anderes erleben. Da habe ich genau gewusst, ich serviere jemanden ein Gulasch und fünf Minuten später weiß ich, es hat ihm geschmeckt oder eben nicht. Das hat man weder in der Pädagogik noch in der Politik."

Und auch nicht in der Büchereiarbeit.




library_mistress - 2008.11.17, 10:44

Erfolgserlebnis

Eigentlich ist das "unmittelbare Erfolgserlebnis" das, was mir am Bibliothekswesen so gefällt - heute zum Beispiel suchte ein Benutzer das Sterbedatum von Anton Bruckners Anwalt und wurde fündig, worüber er sich sehr freute. Und so geht es eigentlich bei jedem Infodienst. "Dankeschöns" für die Hilfe bei der OPAC-Recherche, für den entscheidenden Hinweis für die Recherche, für ein freundliches Entgegenkommen, oft für Dinge, die mir ganz selbstverständlich waren. Da nehm ich die paar Idis, die es ja nun auch gibt, gerne in Kauf. Das "Dankeschön" von oben ist natürlich wieder was anderes...

haftgrund - 2008.11.18, 01:25

Ja, diese täglichen Erfolgserlebnisse sind das wirklich Schöne an unserem Beruf. Da sind jene, die in Öffentlichen Büchereien arbeiten, wahrscheinlich noch privilegierter als die KollegInnen in wissenschaftlichen Bibliotheken. U.a., weil wir ja auch noch Kinder und Jugendliche haben. Da kommt immer sehr viel Positives zurück.
Aber die Stadträtin meint ja mit Erfolg wohl weder der Bibliothekare Glück, noch dieses über längeren Zeitraum und zumeist nicht messbare Wirken von Bibliotheksarbeit, sondern vor allem den Grad der Vermarktung der Büchereien zur höheren Ehre der Politik. Auf das habe ich mich bezogen. Dass uns unser Beruf gefällt, erscheint in diesem Zusmmenhang schon fast wie ein Makel - was mich an die Geschichte bei Brecht erinnert (ich glaube in den "Flüchtlingsgesprächen" wird sie erzählt, oder im "Keuner"), in welcher ein Freier sich weigerte zu bezahlen, als er bemerkt haben wollte, dass die Prostituierte ebenfalls Lust empfand.

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