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Antidepressiva im Jänner

Gegen die Jännermelancholie:

Diskursive Polizei

Im sehr vergnüglichen Buch von Jochen Hörisch: Theorie-Apotheke. Eine Handreichung zu den humanwissenschaftlichen Theorien der letzten fünfzig Jahre, einschließlich ihrer Risiken und Nebenwirkungen.
habe ich hellauf lachen und an jemanden denken müssen:
    Analytische Philosophie fungiert als diskursive Polizei: so wie Parmenides, Nikolaus von Cues, Hegel, Heidegger, Benjamin oder Adorno darf man nicht sprechen und denken. Analytische Philosophie ist deshalb unwiderstehlich für Köpfe, die Hegels, Heideggers oder Benjamins Schriften nicht verstehen und a priori fest davon überzeugt sind, daß das nur an diesen Schriften liegen könne. Der durchschlagende Erfolg der analytischen Philosophie dürfte auch mit ihrem herben Charme, ihrer Nähe zum common sense und ihrer Entschlossenheit zu Aufräumarbeiten zu tun haben (...)
    Zu rekursiven Funktionen, logischen Paradoxien oder gar zu Kurt Gödels 1931 erbrachten Nachweis, daß die formale Logik nicht nur unvollständig ist, sondern unvollständig sein muß und sich nicht aus sich selbst heraus konsistent begründen kann, unterhält die analytische Philosophie eher angespannte Beziehungen..
    Analytische Philosophie entlastet schlichte Köpfe von der Zumutung, allzu Dunkles und Überkomplexes rezipieren zu müssen – all das gilt fortan als haltloses Geraune von Leuten, die keinen klaren Gedanken fassen können Die Nebenwirkungen solcher Aufräumarbeiten sind gewaltig. Philosophie wird bescheiden, sehr bescheiden; sie verarmt. (...)
    Ist es nicht analytisch produktiver, mal einen kalkulierten und reflektierten Kategorienfehler zu riskieren, als zu schweigen? Z.B. Diesen klassischen Kategorienfehler, der ein argumentum ad homines gegen die Theorie ausspielt, die diese Menschen vertreten: viele analytische Philosophen fallen durch ihre unkontrollierten Affektausbrüche auf. Analytische Philosophen verlieren (die These wäre eine Feldforschung wert) häufiger die Contenance als z.B. Hermeneutiker, Hegelianer oder Dekonstruktivisten. Sollte der Umstand, daß sie sich Reden über das, was philosophisch eigentlich zählt, versagen müssen, damit zusammenhängen, daß sie sich transanalytisch so maßlos aufregen – z.B. über einen Artikel wie diesen?

Durcheinandergebrachter Blick

    "Die Ehrung für Jelinek habe allen fortschrittlichen Kräften irreparablen Schaden" zugefügt und den Blick auf Literatur als Kunstform durcheinander gebracht, zitiert die Zeitung «Svenska Dagbaldet» Knut Ahnlund. Der 82-Jährige erklärte am Dienstag seine Mitgliedschaft in der Schwedischen Akademie für beendet. Unmittelbar vor der für Donnerstag erwarteten Vergabe des diesjährigen Preises schrieb Ahnlund in der Stockholmer Zeitung „Svenska Dagbladet", die Entscheidung für die österreichische Autorin sei ein Skandal.
    Er sei sich sicher, dass lediglich ein Bruchteil der auf Lebenszeit gewählten 18 Jurymitglieder ein Buch von Jelineks „monomaner und eingleisiger“ Autorenschaft mit ihrer „klagenden und lustlosen Gewaltpornografie“ gelesen hätte.
Ich tippe darauf, dass er ein Jahr lang "Lust" gelesen hat. Und sich männlichkeitsmäßig auf den Schlips oder sonstwo hingetreten fühlte.
Und nun, quasi aus aktuellem Anlass bricht sich die Empörung Bahn.

Da nach dem Selbstverständnis der Akademie die Mitgliedschaft auf Lebenszeit anberaumt ist und eine vorherige Beendigung nicht vorgesehen ist, scheinen die Perspektiven des schwedischen Autors eher im Letalen angelegt zu sein.