Michel Onfray - es reicht.


Onfray hat seine Chance gehabt. Nach Der Philosoph als Hund. Vom Ursprung subversiven Denkens bei den Kynikern, nach Wir brauchen keinen Gott. Warum man jetzt Atheist sein muss, zu allem Überdruss noch Der Rebell. Ein Plädoyer für Widerstand und Lebenslust.
Klingt ja alles irgendwie gut und seine philosophische Herkunft und seine Selbst-Bestimmung als Linksnietzscheaner ist soweit ja auch o.k., dass er eine für alle offene "Université Populaire" gegründet hat, klingt sympathisch.

Dann der erste Schock beim Kyniker-Buch. Ein gefälliges Hin- und Herschreiben, hie und da ein Gedanke, doch nicht sehr aufregend und eigentlich - nach Niehues-Pröbstings und Peter Sloterdijks Kynismusarbeiten hätte mensch sich mehr erwartet, unter anderem, dass sie irgendwann Erwähnung finden oder gar zitiert werden. Ein Blick in die dokumentierte Bibliographie am Ende des Bandes zeigt, dass der Autor bei der Abfassung des Buches  Sloterdijk gar nicht bzw. nur in einer Zusammenfassung von dessen Thesen gelesen hat. Bei dieser Gelegenheit offenbart Onray auch, dass er nicht deutsch kann - für einen Philosophen, dessen Referenzphilosoph Nietzsche ist, irgendwie erstaunlich. Ab 1987 hätte er die französische Übersetzung Sloterdijks lesen können, doch hat sich in diesem Buch nichts davon niedergeschlagen. Ebensowenig Niehues-Pröbsting. Was natürlich grantig macht.

Das Gottesbuch, das zum Bestseller geworden ist, und auch im Spiegel breit diskutiert wurde, ist die nächste Enttäuschung. Eine Ansammlung von Banalitäten, von argumentativen Aufwärmaktionen alter Argumente gegen die monotheistischen Religionen, ein bißchen Text- und Quellenkritik, die Verbrechen im Namen des jeweiligen Gottes dürfen natürlich nicht fehlen, und für das ganze Zeugs findet er auch noch den Begriff Atheologie bei Bataille und verwendet ihn als Oberbegriff für seine Abhandlung. Wozu er ihn braucht, wird nicht ganz ersichtlich, es ist auch nicht  klar, ob ihm die Enge des Begriffs Atheismus überhaupt bewusst ist. Ein Buch voll von Geschwafel und voll mit riesigen Lücken - was die Laune natürlich auch nicht hebt.

Der Rebell war die Draufgabe, ziemlich schnell gelesen, was bei diesem Autor auch sehr gut geht. Nach gründlicher Selbstbeschau seiner juvenilen Aufbegehrensmodi  wird eine Art Geistesgeschichte des anarchischen Rebellentums geschrieben, zum Teil recht informativ, aber auch hier an der Oberfläche kleben bleibend. Es macht sich keine rechte Freude breit. Den Abschluss bildet "Dreiundvierzig Kamelien für Blanqui", eine Ode in Prosa an das rebellische Leben dieser "emblematischen Gestalt des Ungehorsams" und schließt richtig peinlich:
"Ich darf Sie, lieber Blanqui, meiner aufrichtigen Bewunderung und meiner aufsässigen Gefühle versichern."



Wie gesagt, es reicht. Überdies erinnert Onfray in einer Schreibweise auch noch an Lissmann, was bekanntlich schlimm ist.




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