powerplay

Wen vertritt die SPÖ und wer landet am Misthaufen der Geschichte?


Häupl: Wenn es keine rauchenden Schornsteine gibt, kann ich keine rauchenden Schornsteine vertreten.
Die revolutionäre Phrase von der Vertretung der Arbeiterklasse fällt mangels Arbeiterklasse aus.

Schuh: Wunderbar.


Häupl:
Trotzdem brauchen heute
  • die Arbeitslosen
  • die Teilzeitbeschäftigten
  • die völlig wahnsinnig bezahlten Regaleinschlichter
  • die diversen kleinen Einzelunternehmen
  • die Software-Produzenten
  • oder ähnliches
eine Interessenvertretung.

Wer nämlich Macht hat und sie nicht gebraucht, wird bekanntlich am Müllhaufen der Geschichte landen ...

Schuh: Sehr mächtige Worte, Herr Bürgermeister.


(DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2007, Textpassagen zusammengezogen)


Ich rette unser Klima

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"Globale Rettung im Buchformat" nennt es der Pressetext Austria, das Erzeugnis des grünen Landesrats Rudi Anschober. In diesem Buch wird zum einem an jenen Schauplätzen recherchiert, in denen demnächst und unvermeidbar die desaströsen Folgen des Klimawandels zu erleben sein werden, zum anderen, wie jeder Einzelne die Welt retten kann. Einige Hinweise in einem Interview mit der grüneneigenen Zeitschrift Planet, (leicht komprimiert):
oö.planet: Ist Klima retten für den Einzelnen nicht lästig?
Anschober: Nein, nicht lästig. Klima retten heißt verantwortungsbewusst handeln. Bei mir zu Hause gibt es nur Ökostrom. Wenn man nachts im Dunkeln durch das Haus geht, dann sieht man erst, wie viele Geräte auf Stand-by-Modus Strom verbrauchen. Die schalte ich heute alle aus. Das spart CO2 und senkt die Betriebskosten. Ich bleibe im Land. Wenn man um halb sechs Uhr früh rund um den Almsee spaziert, dann erlebt man eine einzigartige Stimmung, Feen und Kobolde zu sehen, das gibt’s.
Da haben wir sie wieder die Subjektivierung der Einzelnen unter einen Verantwortungsdruck, den sie nicht haben und auch nicht haben können, schon wegen der Größenverhältnisse im Vergleich zu den realen dezentralen Machthabereien. Die Botschaft ist einfach: der Einzelne ist schuld, wenn die Katastrophen kommen, und nicht deswegen vielleicht, weil er und sie zu wenig gekämpft haben gegen die Weltzerstörer, sondern weil der Bub schon wieder vergessen hat, das Licht abzudrehen und Mutti nicht sorgsam genug mit ihrem Haushaltsgeld umgeht, damit sie uns auch die klimarettenden Bioprodukte kaufen kann. Wenn er als Erwachsener wenigstens um den Almsee marschiert wäre, zu den Feen hin, der Bub, der dumme, dann tät heute alles ganz anders...

Geisterflieger

Es lässt sich nicht einmal mehr von einem nochmaligen Umfallen der SPÖ bei ihrer abschließenden totalen Kapitulation im Eurofighter-Ausschuss gegenüber der ÖVP reden. Nicht weil sie ohnehin schon seit der in den Schoß gefallenen Mehrheit bei der letzten Nationalratswahl nur noch am Boden vor den Schwarzen kugelt, sondern weil das Umfallen schon vom Begriff her einen vorherigen Zustand braucht, in dem gestanden worden ist. Einen solchen Zustand hat aber seit Menschengedenken an dieser SPÖ niemand mehr wahrnehmen können. Sie gleicht seit vielen Jahren analog zu den Geisterfahrern, die auf der Autobahn fahrend sich wundern, dass ihnen so viele angebliche Geisterfahrer entgegenkommen, Geisterfliegern, die stark beflogene Flugrouten kreuzen ohne zu wissen, wo sie sich befinden, ohne zu wissen, woher sie kommen und vor allem, die auch gar nicht wissen, wo es einen Flugplatz gibt. Und wenn sie das wüssten, wäre es ihnen schleierhaft, wie sie dort landen sollten. Doch mit solchen Gedanken sind sie ohnehin nicht belastet, denn sie glauben, dass sie ewig fliegen und sich dort befinden, wo regiert wird, im Passagierraum, vollgefüllt mit charakterlosen Gewerkschaftern, aufgeblasenen Bezirkspolitikern und buckelnden Senatsräten mit Allmachtsphantasien. Im Cockpit sitzt einer aus der Sandkiste und singt "über den Wolken muss das Regieren wohl grenzenlos sein".
Das einzige Problem ist, dass diese Saubande wohl auf uns abstürzen wird.

Das Ende der Frechheit

Irgendwann ist der Zeitpunkt eingetreten, dass das Verhalten gegen Gewerkschaftsbosse, Oberamtsräte, Obersenatsräte, Bereichsleiter etc. nicht mehr als grundlegende "freche Haltung" apostrophiert werden kann, als Tyl Ullenspiegelei etc., sondern plötzlich waren diese dirty old Machtmenschen im gleichen Alter oder jünger und ihre Verspottung ist nicht mehr das gegen (auch verinnerlichte) Autoritäten Anrennen, sondern ein einfaches illusionsloses Verspotten dieser Tschapperln mit ihren Titeln und der eingefleischten Selbstwichtigkeit.

Ist das jetzt die Spätform eines Erwachsenwerdens oder der Eintritt in die Rolle des Komischen Alten?

Rostock: Wer war schuld?


Bei Indymedia gefunden.
Rostock: Wer war schuld? Montag, 4. Juni

In der Linken, den Medien und bei Indymedia bestimmt die Schuldfrage das Bild: Wer hat denn nun angefangen in Rostock? Die gewaltbereiten Polizisten, die gewaltbereiten DemonstrantInnen, die Medien im Vorfeld mit ihrer Hetze gegen „Chaoten“, oder waren es Schäuble und der staatliche Gewaltapparat mit ihrem rechtskonservativem Kettengerassel, oder waren es die Nazis oder gar Agent Provocateure, wie manch einer glaubt?Wahrscheinlich stimmt alles ein bisschen und dennoch ist nichts davon richtig, weil schon die Frage falsch gestellt ist. Es ist natürlich Unsinn, dass vereinzelte “Agent Provocateur”-Aktionen DER Auslöser der Ausschreitungen gewesen sein sollen. Dennoch ist es richtig, dass Agent Provocateure sicherlich mit von der Partie waren und zur Eskalation beigetragen haben. Ebenso zu vermuten ist, dass sich Nazis untergemischt haben. Das ist plausibel, da zum einen deren Demo in Schwerin nicht genehmigt wurde und sie sich daher dezentral formiert haben, zum anderen wurde in Nazi-Foren schon im Vorfeld zu G8 angekündigt, dass man sich als “Linke verkleidet” unter die Demo mischen wolle. Natürlich gab es nicht nur Nazis und Agent Provocateure unter den Vermummten, es waren auch sogenannte “Antikids” unter ihnen, die ihre Wut offensichtlich auf diese Weise kanalisieren müssen und wollen, und aber auch DemonstrantInnen, die zwar schwarz gekleidet und vermummt waren, aber sich - wenn überhaupt - dann erst zu Aktion haben hinreissen lassen, nachdem sie sahen, wie die ebenso gewaltbereiten Polizisten wahl- und ziellos um sich und in die Menge prügelten und CS-Gas sprühten. Wahrlich ein Anblick, der größte Selbstbeherrschung für innere Gelassenheit abverlangt. Provoziert hat nicht die pure Präsenz der Polizeitrupps, sondern die wie wild losgelassenen gewaltbereiten Polizisten, als sie schließlich in Aktion traten – wohl nicht zuletzt auch, um einzelne Angriffe auf Ihresgleichen zu „rächen“, ganz im Sinne des Korpsgeistes. Zur Gewalt bereit war jedenfalls mehr als nur eine Seite. Die Mainstream-Medien machen nun aus jenen DemonstrantInnen, von denen Stein- und Flaschenwürfe ausgingen und anderen hinzugekommenen Anwendern physischer Gewalt, deren Herkunft unaufklärbar ist, eine homogene Masse von “die Autonomen”, was ebenso falsch ist, wie wenn die Linke da nun ein “wir” hinein projeziert. Die Ausschreitungen sind von verschiedenen Leuten provoziert worden und aus verschiedenen Gründen und es ist ziemlich sicher, dass es eine Aufklärung darüber “wer und wie es wirklich war” und “wer wirklich angefangen hat” vor diesem Hintergrund sowieso nicht geben wird und selbst wenn das Puzzle mit Hilfe von Indymedia und anderen Medien bis auf das letzte Steinchen gelegt werden könnte, würde es nichts helfen: Die Definitionsgewalt über die „Wahrheit“ liegt wie immer bei denen, die die mit Wirkmacht ausgestatteten Sprecherpositionen inne haben: Die Pressestellen der Polizei, der Staatsanwaltschaft, des Innenministeriums, die Mainstream-Medien, die die Pressemitteilungen ventilieren, die ModeratorInnen von Talkshows und anderen Vorabendpalavern, die ganz auf Linie sind, weils sie es nicht besser wissen und wissen wollen. Die Story von Rostock ist längst geschrieben, ehe das letzte Puzzlestein gefunden ist. Ohne wenn und aber, hier die Bösen dort die Guten, wir haben es schon immer gesagt und fertig ist der Diskurs. Manufacturing Consens. Bei aller Kritik an den Steine- und sonstwas-Werfern, die völlig berechtigt ist, soweit ungeschützte Menschen getroffen werden, sollte also Vorsicht beim Urteil darüber walten, wem die Schuld dafür in die Schuhe geschoben wird – „DemonstrantInnen oder Polizei“?. Falsche Frage. Grade unter ersteren gibt es keine abgestimmte, gemeinsam und kollektiv handelnde Gruppe von überwältigenden „4000 Autonomen“ die militant vorgehen, es gibt alle, alles und vor allem Widersprüchliches und Uneinigkeit. Längst kein Korpsgeist unter den Demonstrierenden und das ist auch gut so. Nun gab es im Vorfeld zwar einen jetzt achso vorwurfsvoll zitierten Konsens darüber (wieso wurde der nicht eingehalten? Wer hat ihn zuerst gebrochen?), eine Demonstration ohne Ausschreitungen durchzuführen. Ein Konsens, der sogar gemeinsam mit der Polizei zu der geteilten Erwartung geführt haben soll, dass die Sache am 2. Juni ein riesiges, großes buntes Fest werden sollte (was gabs da eigentlich zu feiern?). Niemand hatte angeblich was anderes als ein friedliches buntes Fest erwartet (und genau deshalb eine martialische Aufrüstung polizeilicher Gewalt in die Rostocker Seitenstrassen bestellt, mal so für alle Fälle????) und dabei ganz ehrlich tatsächlich völlig vergessen, dass bei einem solch aufgeladenen und im Vorfeld schon erhitzten gesellschaftlichen Knotenpunkt ein solcher Konsens immer schon fragil ist. Honnit soit qui mal y pense. Wie auch immer: Wenn dieser Konsens dann gebrochen wird, dann gehören dazu mehr Seiten als nur eine. Die eine Gewalt, soviel konnten alle sehen, ging von einer zerstreuten Minderheit aus, gemessen an der Anzahl der DemonstrantInnen, die andere Gewalt zählte Tausende und hatte organisierte Befehlsgewalt dahinter zu stehen, die per Funkspruch agierte. Befehl nach vorne, losjagen, schlagen, sprühen, mitnehmen, Befehl nach hinten, zurückziehen, warten und nochmal von vorne das Spiel. Die andere Seite, soweit sie auch wirklich zu den DemonstrantInnen gehört, agiert im Chaos, unkoordiniert aus der Menge, in Seitenstrassen rein, aus Seitenstrassen raus, total scheisse aus hintersten Reihen DemonstrantInnen gefährdend (mit Wurfgeschossen), völlig bescheuert im Alleingang oder aber aus Reflex ohne jede Überlegung halt irgendwie was grad so kommt unternehmen, Reaktion Gegenreaktion - bis in die Gewahrsahmnahme rein und coole Bilder für Spiegel-Online und Schäuble, der jetzt erst recht seinen Apparat zusammen zieht und auch ziehen darf (es ist dennoch nicht die Schuld der „Autonomen“, dass sie sich instrumentalisieren lassen für mehr Law and Order, es sind schon jene, die instrumentalisieren, die dies tun und nutzen).
Jedenfalls: Aus all diesen Gründen kann sich strenggenommen keine Linke mit der Militanz „der Autonomen“ (wer ist das genau?) identifzieren oder dahinter stehen und eben dann auch genauso wenig davon distanzieren. Fragt die halt, die es vermeintlich getan haben, fragt ob, was und warum sie es getan haben - wenn ihr es wissen wollt. Kritisiert genau dieses dann (oder eben auch nicht), streitet mit denen, die das (was?) gut finden, streitet mit anderen, die das (was?) scheisse finden und seht ab von ungesicherten, pauschalen Zuschreibungen, die nur dazu beitragen, ein Bild zu zeichnen, dass den Medien willkommen ist, weil es ihre schlichten Weltbilder bedienen hilft. Streitet untereinander und nicht vor dem, tut euch schon gar nicht mit dem Mainstream gemein (die wollen was anderes), der will euch verkaufen und euch gegen euch selbst wenden. Spekuliert ruhig rum und lasst Spekulationen korrigieren, solange, bis irgendwas klar ist.
Nochmal jedenfalls: Die Schuldfrage ist nun auch deshalb falsch gestellt, weil sie latent davon ausgeht, dass sich zwei Gruppen darauf geeinigt haben, sich nicht zu prügeln und jetzt haben sich die einen (die Bösen) nicht daran gehalten, weshalb die anderen (die Guten) leider zu schlagen mussten (wahlweise „Demonstranten“ oder „Polizisten“ einsetzbar). Nun – auch wenn es eine Einigung gegeben hat im Vorfeld, sie basiert auf höchst ungleichen Kräften. Es ist ja klar, dass die Polizei allen anderen Menschen zwei Dinge voraus hat: Elaboriertere Mittel zur Ausübung von physischer Gewalt und – noch viel wesentlicher – das Monopol zur Ausübung von Gewalt. Polizisten dürfen prügeln und wenn sie es nicht dürfen, können sie es trotzdem, weil sie in der uniformierten Verkleidung nicht individuell identifizierbar sind und weil sie einen Institutionenapparat (Kollegium, Justiz) um sich herum haben, der sie hinreichend vor rechtlichen Konsequenzen zu schützen vermag. Das soll jetzt nicht heißen, dass Polizisten mit Gehwegplatten beworfen werden sollen. Es sollen aber vor diesem Hintergrund zwei Fragen gestellt werden, die nie ins Fernsehen kommen: die bereits erwähnte „warum wirft jemand Steine gegen eine Gewalt, die sowieso am längeren Hebel sitzt?“ (was geht eigentlich in diesen Menschen so vor? Ernsthaft.), die andere: Wieso läßt die Polizei nicht ein einziges Mal zu, dass die DemonstrantInnen selbst untereinander aushandeln und klären, wie mit physischer Gewalt aus den eigenen Reihen (im wörtlichen Sinne gemeint) umzugehen ist. Selbst bei der von der Pressestelle der Polizei genannten reichlich übertriebenen Zahl von bis zu 4000 „Gewalttätern“ und der reichlich untertriebenen Zahl von 25.000 DemonstrantInnen (absurdes Verhältnis, so schwarz war die Demo nie) insgesamt, wäre es durchaus zumutbar, dass die Letzteren einen Umgang mit Ersteren ganz selbstständig finden. Dann geht vielleicht schon auch mal ein Auto kaputt oder die ein oder andere Fensterscheibe zu Bruch, aber es käme mit Sicherheit zu keiner Eskalation in diesem Ausmass, das – täräää – und jetzt kann man das ja auch mal relativieren - gemessen an der Anzahl der DemonstrantInnen im übrigen gar nicht soooo wild war. Kreuzberg hat schon anderes erlebt. Der Sachschaden war nicht mal eine Million, die Glasereien und Strassenbau-Unternehmen freuts, Knochenbrüche heilen. Übrigens: Den gewaltmäßig unbeteiligten und deeskalierenden DemonstrantInnen, die bei den ziellosen Polizeiaktionen regelmäßig als Kollateralschäden ihr Fett abkriegen weint kein einziger eine Träne in Funk und Fernsehen hinterher und auch von der Polizei hat man noch keine Entschuldigung vernommen. Die Medien jedenfalls mit ihrer autistischen Focussierung auf die Gewaltbilder reduzieren die Demonstration des größeren Spektakels wegen auf eine einzige Gewaltorgie, der Rest war Karneval. Wenn man so will wäre ohne Krawalle und Kavala nur die bunte Party in den Nachrichten gelandet. Und jetzt das Wetter.

Über Gewalt in Rostock und Umgebung

 
Die durch die TeilnehmerInnen des so genannten "Schwarzen Blocks" verübte Gewalt gegen Sachen und gegen Menschen (Polizisten) ist durch nichts zu entschuldigen. Wozu auch?

Ob es diesmal oder bei einem der nächsten G8-Gipfel oder bei einem anderen Treffen des politischen Arms des international organisierten Verbrechens gelingt, die gewaltbereiten KundgebungsteilnehmerInnen von den anderen zu isolieren, ist unerheblich. Solange durch die politischen Handlanger legitimierte globale Gewalt in ihren vielen Erscheinungsformen herrscht, wird es Gewalt dagegen geben, unabhängig ob man dies aus persönlichen, ethischen oder politischen Gründen ablehnt. Es wird die Gegengewalt dort geben, wo sie von den Herrschenden am brutalsten ausgeübt wird, in den Ländern der ausgelagerten Produktionen und es wird die Gewalt als Begleiterscheinung aller Bewegungen in den Metropolen gegen die Herrschaft des Politischen Arms geben. Das mag politischen Taktiken und Politmarketing in die Quere kommen. O.k., ist aber kein Grund zum Jammern, dass die schöne friedliche Demonstration dadurch ins Zwielicht gerät.

Solange es den Vielen nicht gelingt, dass solche Gipfel gar nicht erst zustande kommen, weil sich diese Gacht-Figuren nirgendwo sicher bewegen können, wird es militante Aktionen geben, die auf den ersten Blick Gewalt zum Selbstzweck haben. Doch bekanntlich hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht und Menschen wo Menschen sind. Oder so ähnlich.


Erlebniszone ÖGB-Kongress


"... am ersten Tag des sogenannten Reformkongresses tagten bis 17 Uhr die Fraktionen. So auch die "Unabhängigen GewerkschafterInnen", zu denen die KIV gehört.
Wir diskutierten den bisherigen Gang der ÖGB-Reform, die TeilnehmerInnen der verschiedenen Arbeitsgruppen und Konferenzen brachten mehr oder weniger übereinstimmend die Einschätzung zum Ausdruck, dass es zwar Diskussionsmöglichkeiten für FunktionärInnen gegeben hat, in den Arbeitsgruppen zum Teil auch sehr gut gearbeitet wurde, aber bis auf die sogenannten Regionalkonferenzen, die vor allem in Wien nicht besonders gut besucht waren und auch nicht besonders gelaufen sind, einfache Mitglieder außen vor blieben. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen flossen in die Beratungen höchster Gremien ein und wurden dort durch das Feuer einander spinnefeinder Gewerkschaftsvorsitzender auf ein für alle Spitzenfunktionäre und Gewerkschaften zuträgliches Maß zusammengeschmolzen. Übrig geblieben sind etliche Absichtserklärungen, die vom Ansatz her nicht so schlecht wären, doch an eine tatsächliche Umsetzung und Weiterentwicklung glaubt kaum jemand der mittleren und unteren FunktionärInnen.
Der überaus kleinste gemeinsame Nenner spiegelt sich auch in den Statuten wieder, nicht einmal die Möglichkeit, die ansonsten jeder andere Verein hat, dass 10 % der Mitglieder einen Bundeskongress erzwingen könnten, oder dass einfache Mitglieder gar Anträge an den Bundeskongress stellen könnten, fand Eingang in die Statuten. Auch die Unvereinbarkeit von gewerkschaftlichen Spitzenpositionen mit politischem Mandat wurde den Fraktionen zur Entscheidung überlassen.
Bei der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten wird es hier bald zur Nagelprobe kommen: R. Hundstorfer verzichtet jetzt endlich auf sein Gemeinderatsmandat. Der nächste Nachrücker ist Christian Meidlinger, der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten ... Aus Sicht der KIV eine klare Unvereinbarkeit. Wir werden sehen, ob dies die FSG auch so sieht.
Dass auf die Erpressung der FCG eingegangen wurde und die Teilrechtsfähigkeit der Gewerkschaften ins Statut aufgenommen wird, läßt die Befürchtung aufkommen, dass dies der erste Schritt zu einer Zerschlagung eines einheitlichen ÖGBs in einander offen befehdende Einzelgewerkschaften sein könnte. Die Ereignisse nach der Nichtwahl des FCG-Vorsitzenden haben diese Befürchtung eher bestärkt.

Die UG hatte 2 stimmberechtigte Delegierte. Es wurde beschlossen, dass sie den Statuten nicht zustimmen, weil sie als ungeeignet angesehen wurden, die hilfreiche Struktur für eine tatsächliche Demokratisierung des ÖGB zu bieten.
Weiters wurden die politischen Anträge diskutiert, die ein Sammelsurium an Forderungen, zum Teil einander widersprechend darstellen, schlecht redigiert und vom politischen Gehalt die Hoffnung versprühend, dass es jetzt vielleicht wieder möglich werde, dass wieder ein keynsianischer Wirtschaftskurs betrieben werde, mit Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum. Da in dem Vielen auch einiges Vernünftige steckte, wurde mit Bauchweh aber doch, den meisten Anträgen von den 2 UG-Delegierten zugestimmt.
Weiters wurden die vorliegenden Berichte des ÖGB 2003-2006 als Schönfärberei und völlig ungenügend kritisiert (siehe beiliegenden Diskussionsbeitrag).
Da die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (Fritz Neugebauer) statutenwidrig sich seit Jahren weigert, die im Öffentlichen Dienst agierenden Unabhängigen GewerkschafterInnen (Schulen, Unis, Rechenzentrum, Ministerien u.a.) als Fraktion anzuerkennen und damit einen Sitz im Bundesvorstand zu geben, haben wir beschlossen, am Schluss jedes Redebeitrags die Fraktionsanerkennung zu fordern.

Die offizielle Eröffnung des Kongresses erfolgte um 17 Uhr. Nach der Eröffnungsrede durch R. Hundstorfer richtete die Vorsitzende der schwedischen Gewerkschaft Lundby-Wedin Grußworte an die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen von Österreich - es dürfte ihr nicht mitgeteilt worden sein, dass sie nicht auf einer Fraktionskonferenz sprach. Nach Reden von Bundespräsident und Bundeskanzler (der von GLB und UG mit Pfiffen empfangen wurde) wurden die Delegierten in Richtung Rathaus entlassen, wo der Bürgermeister zu Tische lud. Das habe ich im Fernsehen gesehen.

Der Dienstag war den Diskussionen der Berichte 2003-06, der ÖGB-Reform und des Statuts gewidmet. UG und GLB stellten viele Redebeiträge, von der FCG gab es nur wenige und von der FSG sprachen außer ein paar Mitgliedern der Jugendorganisationen fast nur die Spitzengewerkschafter. Im Unterschied zu früher wurden wir nicht verbal einbetoniert, sondern im eigenen Gerede stehen gelassen - von der Beton- zur Schlammgesellschaft könnte man in Anlehnung an Foucault sagen.
Am Mittwoch wurden das Politische Grundsatzprogramm und die Anträge der Gewerkschaften nach einem ähnlichen Schema diskutiert.
Die abschließende Wahl brachte die in den Medien berichtete Überraschung: Der Vorsitzende der FCG und die Frauenvorsitzende der FSG erhielten zu wenig Stimmen für ein Mandat im Bundesvorstand. Und schon ist die Diskussion um die Bildung eines Zweigvereins durch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ausgebrochen.


Das Austria-Center, wo die Konferenz stattgefunden hat, versprühte wieder seinen sanften Charme der 70er, die Augen tränten durch die trockene und elektrisch geladene Luft, der Hals wurde immer rauer, es kam da und dort zu Hustenanfällen, viele klagten über Kopfweh und Nackenverspannungen. Im Unterschied zu früher gab es - ÖGB-Sparkurs - weder Mineralwasser noch Mittagessen, was ja an sich o.k. gewesen wäre, doch die 2 Buffets waren heillos belagert. Die Vorbereitung des Kongresses und zum Teil der Ablauf verliefen vielfach chaotisch, die Unterlagen und Anräge wurden oft erst in letzter Minute übermittelt. Aufbruchstimmungen sehen anders aus.

Eine kleine Chance besteht, wenn möglichst viele die wenigen Einflussmöglichkeiten, die es künftig geben wird, auch nützen, dass sich die Reform langsam in Gang setzt. Denn der wichtigste Satz im Reformpapier ist:

Die Reform ist mit dem 16. Bundeskongress nicht zu Ende, sondern beginnt erst."

ÖGB-Kongress - vom donnernden Leben

Redebeitrag beim ÖGB-Kongress zum Bericht 2003-2006.
Beim Lesen der Berichte ist mir ein Lied von Wolf Biermann eingefallen: „Vom donnernden Leben“. Nicht weil die Berichte so von Donner erfüllt waren, sondern wegen der Zeile:
„Das kann doch nicht alles gewesen sein!“

Und auch ich denke mir, das kann doch nicht alles gewesen sein, was in den Berichten steht, da war doch noch was.
So findet sich im Bericht „Organisation“ schön aufgelistet eine Unmenge von Aktivitäten, Kampagnen, was sicher alles wichtig und notwendig war, nur was fehlt, ist eine Analyse der Wirkungen, der Erfolge und der Misserfolge dieser Aktionen.
Da wird über eine Betriebsratskampagne berichtet, u.a. mit einer Betriebsratsversion des Spiels DKT, „Das kaufmännische Talent“, mit dem gehofft wird, dass in den nächsten Jahren tausende Menschen spielerisch auf das Thema Betriebsrat aufmerksam gemacht werden, aber von der konkreten Situation in den Betrieben, vor welchen Problemen die BetriebsrätInnen in den Betrieben stehen, welche Erfolge erzielt wurden, welche Niederlagen, wie die Interaktion zwischen Belegschaften und ihren Vertretungen funktioniert, wie der Transport der Forderungen der Basis und das Feedback nach dem Weg durch die Gremien und den Verhandlungen funktioniert, was ja oft im gegenseitigen Frust endet – von diesen Situationen, die wir ja alle kennen und erleben, davon ist nichts zu finden.
Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, da ja wir hier in diesem Saal wohl das umfassendste, genaueste Wissen über so ziemlich alle österreichischen Betriebsstätten und über die Situation der dort Arbeitenden haben, ein gemeinsames Wissen und Erfahrung – doch im Bericht spiegelt sich nichts davon.

Im Bericht „Grundsatz“ erinnert die Darstellung im Kapitel Volkswirtschaft mit der linearen Verknüpfung von Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung in seiner Eindimensionalität an die Konzeptionen der 50er und 60er – mit dem Unterschied, dass damals von den Gewerkschaften sehr vehement der Anteil der Arbeitenden an den Produktivitätssteigerungen eingefordert wurde, heute dagegen diese Produktivitätssteigerung als Ursache der steigenden Arbeitslosigkeit beklagt wird und als einzige konzeptionelle Aussage dazu das „Weißbuch des Instituts für Wirtschaftsforschung“ zitiert wird, welches die Möglichkeit einer Vollbeschäftigung wenigstens „andeutet“...
Da ist in den Berichten keine Spur von der steigenden Bedeutung immaterieller Produktion sowohl in neuen als auch in den klassischen Arbeitsfeldern, was mit einer immer totaleren Subsumtion des Menschen, des ganzen Menschen unter den Verwertungsprozess des Kapitals einhergeht. Und da ist nichts zu lesen davon, dass prekäre Arbeitssituationen und atypische Beschäftigungsweisen immer weniger sogenannte Randprobleme sind, sondern in rasender Geschwindigkeit zum wesentlichen Moment der sogenannten normalen Arbeit werden.

Als dritten Punkt ganz schnell, weil die Zeit schon abgelaufen ist, möchte ich zum Bericht der Zentralen Kontrollkommission Stellung nehmen, in dem die Vorsitzende schreibt, dass sie keine Möglichkeit hatte und gehabt hätte, Hinweise auf die bekannten Transaktionen in der Bawag-Affäre zu erkennen.
Da wäre es vielleicht doch hilfreich gewesen, wenn auch erwähnt worden wäre, dass diese selbe Vorsitzende der Kontrollkommission auch Aufsichtsratsvorsitzende der "Anteilsverwaltung Bawag" gewesen ist, jener Gesellschaft, über die diese Transaktionen, die dem ÖGB den finanziellen Ruin gebracht haben, gelaufen sind und vor wenigen Monaten noch gesagt hat: "Ein derart umfassender Kontrollanspruch, wie er gut gemeint in den Statuten steht, ist einfach nicht machbar.“
Jedenfalls wirft der Bericht der Zentralen Kontrollkommission mehr Fragen auf als er beantwortet. Hauptsache, es sind alleinige Schuldige gefunden – Weninger und Verzetnitsch.

Zu einem dieser Schuldigen möchte ich ganz zum Schluss noch sagen, das ist mir wichtig, und ich glaube, dass dies auch Rudi Hundstorfer bestätigen wird, dass Günter Weninger nicht nur von mir, der ich ihn als zentralen Referenten in der GdG kennen gelernt habe und später als Vorsitzenden, sondern von allen, die ihn kennen, als bescheidener, ruhiger, sachlicher und ehrlicher Mensch wahrgenommen wurde und niemandem es eingefallen wäre, ihm eine milliardenschwere Hintergehung jenes Vereins zuzutrauen, für den er ein ganzes Leben gearbeitet hat.
Wurde er plötzlich vom Bösen ergriffen oder hängt das vielleicht auch mit unserem Verein zusammen, mit der Struktur, mit der Kultur des ÖGB?
Könnte es sein, dass Positionen, die der ÖGB vergibt, zu Menschenfresserfunktionen werden, dass sie Menschen bis zur Unkenntlichkeit verändern?
Ich glaube, darüber sollten wir uns alle Gedanken machen

Im übrigen bin ich der Meinung, dass sowohl die FCG als auch die FSG der „Gewerkschaft Öffentlicher Dienst“ sich dazu bequemen sollten, endlich die Unabhängigen GewerkschafterInnen der GÖD als Fraktion anzuerkennen.

Gewerkschaftlicher Gremienfrust


Aus einer Mail an die Vorsitzenden des Hauptausschusses der Hauptgruppe 1 (Hoheitsverwaltung) der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten Wien.
Liebe Hauptgruppen-1-Vorsitzende,
meint ihr das tatsächlich ernst, den Hauptausschuss erst knapp vor Frühlingsbeginn tagen zu lassen?
Immerhin sind mit erstem Jänner einige Probleme akut geworden.
So zum Beispiel die bedingte Zusage der Personalvertretung (von welchenm Gremium?) zur Einführung der Chipkarte zur Dienstzeitkontrolle. Im letzten Hauptausschuss ist von einer solchen Zustimmung nicht die Rede gewesen. Wer hat in welchem Namen nun anders entschieden? Gibt es eine schriftliche Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Gewerkschaft? Wer hat eine solche, falls es sie gibt, in welcher Schublade verstaut?
Oder die MitarbeiterInnenbeurteilung Neu. Der Dienstgeber führt sie flächendeckend seit 1.1.07 ein. Die Personalvertretung stimmt nicht zu. Der Dienstgeber gibt Weisung. Der Hauptausschuss schweigt. Der Zentralausschuss schweigt. Die Dienststellenausschüsse und die einzelnen Bediensteten werden im Regen stehen gelassen.
Seid ihr wirklich der Meinung, das gehe den Hauptausschuss jetzt nichts an und irgendwann im März werde schon darüber berichtet werden, wenn alles vorbei ist. Gab es da nicht irgend sowas wie das Versprechen, einen ÖGB neu mit mehr Transparenz und mehr Demokratie zu ermöglichen?
Oder ist euch das sowas von egal, weil die GdG ohnehin die beste aller Gewerkschaften sei, an der sich die anderen ein Vorbild zu nehmen hätten, um Kollegen Zangl zu zitieren?

Demokratie, Freie Software


In einem lesenswerten Artikel von F.Naetar "Wie hältst Du es mit der Demokratie?" aus den Grundrissen wird der Demokratiebegriff in seinem Fetischcharakter "wiederentdeckt" bzw. versucht, sich seinem zwieschlächtigen Charakter zu nähern. Folgender Abschnitt behandelt Entscheidungsprozesse in free-software-Projekten.
Das grundlegende Prinzip einer Demokratie – in einer Entscheidungsabstimmung zählt jeder gleich – ist in keiner der „free software“-Initiativen realisiert. Im bekanntesten und größten Beispiel Linux gibt es einen definierten Prozess, wer an solchen Entscheidungen welches Gewicht hat. Im Prinzip handelt es sich um eine Zählung nach Verdienst. Wer mehr für das Projekt geleistet hat, (in Form von akzeptierten Beiträgen) hat mehr Entscheidungsrechte. Generell werden die vorgeschlagenen und diskutierten Beiträge von einem harten Kern von Hauptentwicklern beurteilt – nach einer offenen und freien Debatte unter allen Interessenten. Die letzte Entscheidung im Fall der Uneinigkeit hat in diesen Projekt der Gründer Linus Torvald, der deshalb auch als der „benevolent dictator“ – wohlwollender Diktator – bezeichnet wird.

Natürlich gibt es theoretisch immer die Möglichkeit, wenn man mit den Entscheidungen absolut nicht einverstanden ist, sich abzuspalten und ein eigenes Projekt zu begründen. Das ist auch schon einige wenige Male passiert und bei einem größeren Fork kam es sogar nach einiger Zeit zu einer Wiedervereinigung mit dem Hauptprojekt, aber wenn ein Projekt wie z. B. Linux eine derart große Menge an Entwicklern in Bewegung setzt, ist ein Austritt aus der Gemeinschaft nur dann erfolgreich, wenn gegen wichtige und gut begründete Vorschläge entschieden wurde und die Entwickler hinter den Vorschlägen entsprechendes Gewicht haben.[19] Es gibt zwar in anderen „free software“-Projekten auch Formen der Abstimmung, bei der jeder gleich zählt, aber um in den Kreis der für eine Abstimmung berechtigten einzutreten, bedarf es entsprechender Beiträge – also wieder nach Verdienst. Nicht zufällig sind diese „demokratischen“ Formen eher dort anzutreffen, wo sich Firmen mit eigenen von ihnen angestellten Entwicklern an diesen offenen Projekten beteiligen. Hier gibt es ja nach Größe des Beitrags dann verschiedene Klassen von Mitarbeitern und in der obersten Klasse kann dann unter den „Gleichen“ entschieden werden. Meiner Meinung nach zeigen daher die tatsächlich existierenden Projekte, dass ein politischer Begriff wie Demokratie diese Formen von Selbstorganisation nicht adäquat beschreibt. Ich kann mir auch nicht wirklich in diesen Projekten einen Entscheidungsprozess bezüglich technischer Fragen vorstellen, der nach dem Prinzip funktioniert: Jeder entscheidet mit und hat das gleiche Stimmgewicht.
Es scheint mir, dass es hier offen gehandhabt wird, was in Gruppenprozessen ebenso aber verdeckt abläuft: Entscheidungen treffen im Grunde die in der Gruppe anerkannten Autoritäten mit Modifikationen durch Autoritäten der zweiten Garnitur. Wenn ich mich richtig erinnere, hat es die Beschreibung dieses Prozesses bereits bei Robert Michels, Soziologie des Parteiwesens gegeben. Allerdings ohne dies als quasi neudemokratischen Ansatz anzusehen, wie im vorliegenden Artikel. Was insofern ungerecht ist, als F.N. sich unmittelbar im Anschluss an obiges Zitat "Überlegungen von Alain Badiou ins Spiel" bringt. Jedenfalls eine spannende Sache.