powerplay

"Mörder im Werdegang"

    glaubt Laura Richards, deren Name aus einem Krimi von Patricia Cornwell entsprungen sein könnte, erkennen zu können. Sie ist Kriminalpsychologin und Chefin der seit 2 Jahren bestehenden Metropolitan Police's Homicide Prevention Unit, der "Mordverhinderungsabteilung" von Scotland Yard.
    Das Ziel dieser rührigen Truppe ist nicht mehr und weniger als die 100 gefährlichsten Menschen Londons aufgrund des bestehenden Strafdatenmaterials auszumachen: "Es ist ein neuer, mutige Weg, der hart erarbeitet wird, aber er ist wichtig", so Richards zu ihrer Methode des Präventionsprofilings: "Menschen machen böse Dinge und man kann sie nicht alle stoppen. Womit ich allerdings ein Problem habe, ist, wenn Experten daneben sitzen und nichts weiter als zusehen können. Hier ist Handlungsbedarf gegeben". Also wird fleißig an "Listen der Bösen" gearbeitet und zu überlegen begonnen, was man dann mit den in diesen Listen Erfassten macht. Gleich einsperren? Vielleicht gestaffelt nach Höhe des zu erwartenden Verbrechens? Oder in die Psychomaschinerie einweisen? Man könnte sagen, Guantanamo ist ein guter Anfang und Laura Richards ein gutes Model für mehr Sicherheit und Glück in unserer Gesellschaft. Und billiger soll es auch sein: "Ein durchschnittlicher Mord", so Andy Baker, Leiter der Mordkommission, "kostet den Staat Hunderttausende von Euro, bis es zur Verhandlung kommt, weswegen es eine gute Investition sei, Geld in die Prävention zu stecken, zumal damit auch Leben gerettet würden".
Times
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Telepolis
Spiegel

ÖGB-Reform basismäßig

Die für alle offene Regionalkonferenz zur ÖGB-Reform findet am 9.10.06 im geschichtsträchtigen großen Saal des Gewerkschaftshauses der Gemeindebediensteten statt. Und bei meinem Eintritt erblicke ich auf Anhieb die Zukunft der Gewerkschaft in Gestalt von Mikulasch und Wukovitsch. Und Kurt Obermülner. Zirka fünfzig TeilnehmerInnen haben sich eingefunden und harren in den Sesselreihen, was vom Podium kommen wird. Dort sitzt ein leicht grämlich dreinblickendes älteres Männlein, welches sich später als Zentralsekretär der Gewerkschaft für Kunst, Medien, Sport, Freie Berufe (KMSfB), Dr. Herbert Stegmüller, vorstellt. Zu seinem Team gehören ein als Bildungssekretär bezeichneter Mann, der ebenfalls am Podium sitzt, eine jüngere Frau von der Jugendabteilung und zwei jüngere Männer, die gleich Bodyguards im hinteren Teil des Saales stehen und die geplante Gruppenarbeit begleiten sollen. Und dann gibt es noch den offenbar als Moderator vorgesehenen Peter Paul Skrepek,Vorsitzender der Gewerkschaft KMSfB und Präsident der Sektion Musik.

In der ersten Reihe sitzen einige Männer in dunklen Anzügen, teils mit Krawatte, teils mit demonstrativ offenem Hemd, alle unschwer als gehobenere Funktionäre zu erkennen. Zu ihnen gesellt sich der Metallerchef Erich Foglar, dessen Erscheinen von den Erstereihe-Funktionären mit einem leisen "na, wenigstens ana, der wos z redn hod" quittiert wird. Da Stefanie Wukovitsch und ich uns in die erste Reihe gesetzt haben, werden wir ebenfalls in sein Funktionärshändeschütteln einbezogen.

Nun kann es losgehen. Skrepek schließt die Tür und meint leichthin, es sei eine geschlossene Veranstaltung und begrüßt uns vor dem Schriftzug "Gewerkschaft der Gemeindebediensteten" stehend quasi als Hausherr, weil die KMSfB in diesem Haus ihren Sitz habe. Mit Blick auf einen Zettel beginnt er den geplanten Ablauf vorzutragen, er wirkt wie ein Schauspieler, den man gebeten hat einen Text vorzulesen, welcher aber nur in Bruchstücken vorhanden ist. Also muss er gewaltig extemporieren, was sich in etwa so anhört: "... und die Ergebnisse werden dann nach oben gesandt, irgendwohin nach oben, ich weiß selber nicht wohin, aber ich trete dafür ein, dass alles, was hier entsteht, auch oben ankommt".

Unruhe beginnt sich im Saal breit zu machen. Als er dann launig darüber informiert, dass an der Wiener Börse täglich 8 Milliarden Euro verspekuliert würden und da rege sich niemand darüber auf, während man bei der BAWAG so ein großes Aufhebens wegen 4 Milliarden mache, aber das Bankgeschäft sei nunmehr kein Honigschlecken ..., entsteht Stimmengewirr im Saal, es fallen hässliche Worte wie "Frechheit!" und "weg mit dem!" und nach einigem hin und her wird er wieder aufs Podium niedergesetzt, wo er bis kurz vor Schluss der Veranstaltung beleidigt schweigt. Der Dr. Stegmüller beginnt nun davon zu reden, dass es 12 Fragen in 3 Gruppen zu beantworten gebe, wobei die ersten 3 Fragen offene Fragen seien. Es wächst wieder Unruhe im Saal, da der Stegmüller aber bereits am Podium sitzt, kann er nicht mehr niedergesetzt werden.

Neben uns in der Bonzenreihe ruft ein nicht Unstämmiger, der eine Ausstrahlung vom Positivwert eines Stechapfelgemischs in einer Hofer-Hirsepackung hat: "theaterts eich do ned no mehr eine". Dieser Sympathieträger versucht auch noch kurz Ordnung ins vermeintliche Chaos zu bringen. Schließlich schafft es aber Fogler von den Metallern dem Podium zu vermitteln, dass angesichts der Unruhe im Saal nicht die vorbereitete Fragen beantwortet werden sollen, sondern der Reihe nach jeder reden darf und aus jedem Beitrag ein Merksatz auf den Flipchart geschrieben wird (von der jungen Funktionärin, die im Unterschied zu den Bodyguards und zum Bildungssekretär eine Aufgabe für diesen Abend gefunden hat).

Ein Redebeitrag folgt auf den anderen, die meisten Anwesenden und Redenden sind Gewerkschaftsfunktionäre und/oder Betriebsräte, nur 5 bis 6 sind, wie sich herausstellt, einfache Gewerkschaftsmitglieder, ein gutes Drittel ist so 70 plus, die bringen zumeist Zornausbrüche über den Verrat von Verzetnitsch, diverse Anekdoten und Erinnerungsbeiträge wie etwa einer von der Gewerkschaft Bau-Holz, welcher davon erzählt, dass er als Olahs Kampflatte uns in den 40ern und 50ern Österreich vor dem Kommunismus gerettet habe (auch in der ersten Hälfte der 40er Jahre?); Heinz Kienzl, der Gewerkschafter, Atomkraftfetischist und Banker ist ebenfalls da und verrät ein Geheimnis: schuld an der finanziellen Misere seien all jene, die nicht bei der Gewerkschaft gewesen wären, sondern die Errungenschaften als Trittbrettfahrer konsumiert, aber keinen finanziellen Beitrag geleistet hätten. Dann ist er gegangen um die Gewerkschaft zu retten. Auch andere gehen. Es gibt klügere und weniger kluge Beitrage, es gibt längere und kürzere.

Die längeren kommen zumeist von revolutionstouristischen Funke-Leuten und Kommunistischen Initiativlern. Wenn diese fordern: "keine Sozialpartnerschaft sondern Klassenkampf" und das auch auf den Flipchart aufgeschrieben wird, meint Obermülner, er sei für Partnerschaft und gegen Klassenkampf. Wenn Unvereinbarkeit von politischen und Gewerkschaftsfunktionen verlangt wird, lobt Obermülner Rudi Hundstorfers Einsatz für die Gemeindebediensteten in seiner Funktion als Gemeinderat. Es wird fader und fader. Dann ist es zu Ende. Die 12 Fragen sind nicht beantwortet worden und Dr. Stegmüller freut sich zum Abschluss, dass wir uns basisdemokratisch nicht an das vorgegebene Programm gehalten hätten. Skrepek wacht auf und beginnt wieder zu extemporieren. Alles geht.

Auch ich verlasse diesen Saal, der im Laufe des Abends von einem Diskussionsteilnehmer als spätstalinistisch bezeichnet worden ist. Dieser Saal, in dem schon rauschende KIV-Feste gefeiert wurden, wo uns in vielen Sitzungen des Wiener Vorstands der fein ziselierten Rethorik eines Alfred "Demosthenes" Nickel zu lauschen gegönnt war! Bei dem trotz der quantitativen Vielfalt seiner Beweisstücke nie die Qualität der Begriffe zu leiden gehabt hat! Dieser Saal, in dem wieder und wieder das glänzende Differenzierungsvermögen von Franz "Das Sensibelchen" Simanov zum Tragen gekommen ist, dieser Lichtgestalt der HG 4, die sich nie gescheut hat, in Anwendung ihrer dialogischen Seinsweise immer wieder begütigend die Hand dem Nächsten hin zu strecken, auch wenn dieser Nächste oft nur der Kollmann war! Nicht zu vergessen das gelebte Rebellentum der pulsierenden Garde der Jugendabteilung, welche bei Abstimmungen den Anträgen der überwältigenden Mehrheitsfraktion mit geballter Faust mahnhaft trotzig ihre Zustimmung gab!

Und wer erinnert sich nicht an Günter "Open Mind" Weninger, welcher mit seinen Informations-Tsunamis den Raum stets ins Überschwappen gebracht und uns alle oft schaudern gemacht hat vor lauter Durchblick. Und schließlich und endlich lebt hier ja auch noch der Geist von Rudi "Machmascho" Hundstorfer, unserem langjährigen Boll im Gemeinderat, bei dem sich Offenheit und Ehrlichkeit ein stetes Kopfankopfrennen liefern, der uns nie im Unklaren gelassen hat über den Stand von Verhandlungen, da sie stets am nächsten Tag schon erfolgreich abgeschlossen hätten werden sollen.
Und da redet so ein junger Schnösel von spätstalinistisch!

In der U-Bahn setzt sich Skrepek zu mir hin und meint, er habe wenig Hoffnung, dass oben was weitergehe. Das habe er aber nicht sagen wollen, um die Leute nicht zu demotivieren. Und der Bundesvorstand, das sei der reine Wahnsinn, da würden Beschlüsse gefällt und alle dürften nur abnicken. Da meine Station zum Aussteigen kommt, muss ich diesem Funktionär des unglücklichem Bewusstseins zum Abschied begütigend zunicken.

Ich dagegen setze meinen Weg fort in Richtung Morgenröte
und vermeine bereits zu hören, wie die Kanonenschüsse der Aurora
einen Neuen Morgen der Gewerkschaftsbewegung einläuten. Quasi.


Mikulasch und Wukovitsch: Alternative GewerkschafterInnen - 70+ und 60+.(zurück)
Nickel, Simanov: ehem. Hauptgruppen-Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten
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Diefenbach-Interview

Im Falter 38/06 schafft es Katja Diefenbach in wenigen Sätzen nicht nur die 68er-Aporie zu benennen, sondern auch die leidigen Hoffnungen der Postoperaiisten als teleologische zu kennzeichnen. Das Interview hat Robert Misik geführt. Am 28. September führen er und Katja Diefenbach ein Gespräch im Kreisky-Forum .

Falter: Kann man heute noch politisch aktiv sein? Die Rebellenpose ist doch nur mehr Zitat, noch dazu ein kommerzialisiertes. Gibt es einen Ausweg aus der Peinlichkeit?

Diefenbach: Peinlichkeit ist eigentlich eine interessante Geste; und ich frage mich, ob es überhaupt möglich ist, politisch zu sein, ohne peinlich zu werden. Gegenüber der Normalisierung und der Katastrophe, dass alles so weitergeht, ist die Geste des Politischen an sich störend und deplatzierend. Genau deshalb ist der souveräne Zyniker ein herrschendes role model Er verkörpert ein Subjekt, das noch über die Ungerechtigkeiten kapitalistischer Vergesellschaftung im Bilde ist, den Glauben an grundsätzliche Veränderungen aber für idealistisch, lächerlich oder terroristisch hält und stattdessen lieber den Kapitalismus in seiner freisetzenden Bewegung affirmiert. Denn der Kapitalismus ist für ihn der große Möglichmacher, ein System schöpferischer Zerstörung, in dem sogar abweichende Lebensformen und subkulturelle Praktiken, wenn sie sich verwerten lassen, zugelassen und verstärkt werden können.

Falter: Das zeigt aber immerhin, dass die Abweichung, die Dissidenz und das fröhliche Dagegensein gar nicht so subversiv sind. Damit kann der Kapitalismus prima leben.

Diefenbach: Natürlich, der Kapitalismus und bio-politische Regierungsstrategien antizipieren Widerstandsformen und versuchen, sie produktiv zu machen. Von daher rührt die Kritik politischer Theoretiker wie Slavoj Zizek oder Alain Badiou, dass die leere Universalität des Kapitals mit partikularer Identität jedwelcher Art ausgezeichnet koexistiert: Identität verspricht Halt und imaginäre Gemeinschaftlichkeit in der Geschwindigkeit abstrakter Verwertung; Identitäten vermehren die Konsumtionsmöglichkeiten etc. Zizek und Badiou verwechseln allerdings minoritäre Politik mit ihrem Scheitern. Die minoritären Revolten der Sechziger- und Siebzigerjahre waren ein politisches Ereignis. Sie haben mit der autoritären Linie in der Linken gebrochen, mit dem Kaderprinzip, dem Leninismus, der Reduzierung des Politischen auf Strategie- und Taktikdenken. Das Politische kann seit- dem an jedem Ort und in jedes Verhältnis intervenieren. Es erfordert die Praxis von vielen.

Falter: Die Kritik von Zizek oder Badiou, die Sie anführen, muss deswegen aber doch nicht ganz falsch sein.

Diefenbach: Die These, dass kapitalistische Verwertung und Identitätspolitik sich gegenseitig stabilisieren, halte ich nicht für falsch, im Gegenteil, nur die politische Konsequenz. Was folgert man daraus, dass die minoritären Kämpfe einen enormen Schub sozialer, politischer und sexueller Differenzierung bewirkt haben, ohne zu grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen wie sozialistischer Selbstverwaltung geführt zu haben? Was bedeutet es, dass die minoritären Kämpfe in diesem Sinne erfolgreich gescheitert" sind? Man muss nach den gefährlichen Übergängen zwischen minoritären Praktiken, kapitalistischen Reintegrationen und der Kommerzialisierung dissidenter Lebensformen suchen. Aber auch wenn Kämpfe scheitern, sind sie nicht verloren. Unvergessen ist, wovon minoritäre Praktiken sich abgewandt haben, vom soldatischen, moralischen und disziplinatorischen Erbe linker Politik.

Falter: Ist das nicht sehr rosarot gedacht? Man erzählt etwas, was man auch als Geschichte des Scheiterns erzählen kann, eben als Geschichte des Erfolges.

Diefenbach: Jeder politische Kampf steht in der Ge- fahr zu scheitern, sei es durch Integration, durch Repression oder durch Zer- "Viele Akteure der 68er- Revolten haben sich integriert. Was heißt das?' fall. Das soll nicht das Scheitern ver- harmlosen, sondern das Denken von Sieg und Niederlage beenden. Viele Akteure der 68er-Revolten haben sich integriert, die autonomen Bewegungen haben sich in den Achtzigerjahren in subkultureller Kleingruppenmilitanz selbst blockiert. Aber was heißt das? Ein Theoretiker wie Antonio Negri geht zum Beispiel davon aus, dass der Übergang in den Postfordismus mit einer derart selbstorganisierten Subjektivierungsform einhergegangen ist, dass der Sprung in ein kommunistisches Projekt potenziell kurz bevorsteht. Das impliziert viele optimistische Voran- nahmen - von den Kämpfen als Motor der Geschichte, vom Kapitalismus, der den Keim seiner Überwindung in sich trägt, bis hin zur Vorstellung vom be- freienden Tätigkeitsvermögen der Menge. Eine gefährliche Form, über den "Erfolg" der Kämpfe zu sprechen.

Falter: Auch wenn man sich darauf einigt, dass der Kapitalismus durch Kämpfe, Widerspruch, was weiß ich, verändert wurde - nicht alle wären so überzeugt, dass er zu seinem Vorteil verändert wurde.

Diefenbach: Genau. Ich werde den Eindruck nicht los, dass zwei antikapitalistische Erzählweisen mit ihren je eigenen Reduktionismen im Umlauf sind. Die eine geht davon aus, dass sich im Über- gang zum Postfordismus das Kampfniveau erhöht hat, weil die gesellschaftliche Regulation in einem solchen Aus- maß auf der biopolitischen Selbstregierung der Leute beruht, dass diese ganz bald auf die Idee kommen könnten, den Kapitalismus abzuschütteln. Auf der anderen Seite gibt es den romantischen Antikapitalismus, der Verlust, Entfremdung, Verfall diagnostiziert.

Falter: Welche politischen Praktiken haben denn heute das Zeug dazu, erfolg- reich zu scheitern?

Diefenbach: Ich rede nicht dem erfolgreichen Scheitern das Wort, sondern der Potenzialität von Erfahrungen und einer gewissen Möglichkeit, mit ihnen etwas anzufangen. In den letzten Jahren sind einige interessante politische Aktions- formen entstanden. Ich denke an das Auftauchen der Zapatisten in Mexiko, die eine Guerilla ohne Militarismus erfunden haben, an demokratisierte Militanzvorstellungen, mit denen vom Pathos der spontanen Aktion und der vereinzelten Eskalation abgerückt wurde, an die Vorstellung, dass das Politische ein asubjektives Gefüge ist, von "In den letzten Jahren sind einige interessante Aktionsformen entstanden" dem aus an vielen Stellen interveniert wird, und auch an die Vorstellung, dass politischer Aktivismus mit Vorsicht zu genießen ist, weil er die Gefahr in sich birgt, sich mit dem zu verwechseln, was im Eifer und Weitermachautomatismus von wenigen endet.

Open Space für FunktionärInnen

            you may leave here for 4 days in space
            but when you return, it's the same old place

            P. F. Sloan ("Eve of Destruction")

Der geschäftsführende Vorsitzende der Gemeindebedienstetengewerkschaft hat zur "Open Space Konferenz" zur ÖGB-Reform gerufen:
    "Bei dieser Konferenz sollen PersonalvertreterInnen und BetriebsrätInnen die Möglichkeit haben, Ideen für einen neu zu gestaltenden ÖGB einzubringen und zu diskutieren." Diskussion in zehn Arbeitsgruppen: je 2x Kommunikation, Organisation, Zielgruppen, Partizipation und Glaubwürdigkeit.
Und 250 FunktionärInnen sind gekommen worden.
1. Aufgabe
"Schreibt zu unserem Gruppenthema auf einem Kärtchen alles auf, was ihr als schlecht empfindet, was euch unangenehm aufstößt. Es können auch 2 Kärtchen sein. Aber immer nur 1 Punkt pro Kärtchen." Auf Nachfragen: "ja, es können auch 3 Kärtchen sein, wenn du so viel zu kritisieren hast."
Die Kärtchen werden geschrieben und auf einer Tafel angebracht.
Dann werden sie eingesammelt. "Keine Angst, die verschwinden nicht, das fließt dann alles in den Prozess ein".

2. Aufgabe
5 Blätter mit verschiedenen Themen werden auf dem Boden ausgelegt. Die TeilnehmerInnen sollen sich gleichmäßig zu den Blättern verteilen.
JedeR für sich soll Lösungen für die Themen/Problemstellungen formulieren, die Machbarkeit angeben sowie die Hilfestellung, die von oben dafür eingefordert wird.
Hernach sollen die Ergebnisse auf 1 Plakat pro Themengruppe formuliert werden.

3. Aufgabe
Frankfurter oder Chilieintopf?

4. Aufgabe
Ein als Impulsreferat etikettiertes launiges Geplauder des geschäftsführenden Präsidenten des Gewerkschaftsbundes, der sich freut wieder heimatlichen Boden zu spüren, ist zu lauschen. Etliche FSG-Personalvertreter aus den Bundesländern versäumen diesen Impuls, weil sie durch eine Abstimmung mit den Füßen ihrer Zufriedenheit mit dem Reformprozess Ausdruck verleihen und einen Infrastrukturcheck der Bundeshauptstadt durchführen.

5. Aufgabe
Nachdem zu erfahren gewesen ist, dass es Rudi Hundstorfer nicht mehr möglich ist, unerkannt einen privaten Restaurantbesuch zu machen und die Gewerkschaft allen Unkenrufen zum Trotz nicht in Konkurs gehen wird, sind Fragen zu stellen, damit wir alle sehen, dass die Gewerkschaft den kritischen Diskurs pflegt. Egal was gefragt oder kritisiert wird, die Antwort lautet in etwa immer so:
    Die volle Leistungsfähigkeit der Gewerkschaft besteht, Kollektivverträge werden abgeschlossen und Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit durchgeführt. Die Bawag, ich sage es euch offen und ehrlich, weil der Verkaufsprozess ist eingeleitet und der ÖGB zieht vorerst ins alte Postgebäude um...
6. Aufgabe
Die Unterarbeitsgruppen des Vormittags vereinigen sich in den 5 Themengruppen. Für jede Gruppe werden die mit bunten Pickerln auserkorenen mehrheitsfähigen Themen auf 1 Plakat vereinigt.

7. Aufgabe
Für jedes der Hauptthemen gibt es 1 Plakat. Dieses wird von 2 Gruppenmitgliedern vorgestellt. Es wird beteuert, dass alle sonstigen Plakate gesammelt, ausgewertet, an die TeilnehmerInnen verschickt werden und nichts verloren geht. Die Ergebnisse werden an die 5 zentralen Projekte des ÖGB-Reformprozesses geschickt und es wird ernsthaft sich damit auseinandergsetzt, so wie mit der Mitgliederbefragung auch und es wird nichts verloren gehen. Ah, das hatten wir schon.
Nach sorgfältige Prüfung der Kleidung entfernen sich die TeilnehmerInnen aus der Veranstaltung und entfernen die noch offenen Space-Flecken.

Privatisierung der Sicherheit

    "Zynisch betrachtet, könnte man sich fragen, ob es nicht gewollt war, eine schwache Polizei zu schaffen, damit Korruption und andere Politskandale unter dem Teppich bleiben. Deshalb entfernt man auch gern die Intelligenzen. Wer sicher sein will, muss sich künftig selbst drum kümmern. Es ist wie bei Gesundheit und Bildung. Willst du Besseres, musst du dafür zahlen, im Privatspital oder in der Eliteuni. Das ist eine schlechte Entwicklung, die nur mit dem Neoliberalismus zu erklären ist, aber nicht gerechtfertig ist, wenn man an die sozialen Errungenschaften in der Zweiten Republik denkt."
meint der frühere Spitzenpolizist Max Edelbacher auf dem Weg in den Ruhestand.

Gewerkschaftliches Herzeleid

    Wenn bei den Gewerkschaftern im Herzen einmal etwas kaputt gegangen ist, ist es schwer zu reparieren
meint der steirische Landeshauptmann Voves in einem Interview im Profil zum Präsidiumsbeschluss der SPÖ, dass künftig keine Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft als SPÖ-Kandidaten für den Nationalrat aufgestellt werden sollen. Ein Beschluss, den lange vorher schon der ÖGB, wie von den Unabhängigen GewerkschafterInnen immer gefordert wurde, hätte machen sollen. Und zwar aus einem einzigen offensichtlichen Grund: dem der Unvereinbarkeit.

WM-Fake: Nicht-Sponsoren verboten

    Aktion zur WM: Nicht-Sponsoren verboten!

    von Torsten Kleinz - 02.06.2006 15:14
    Spaßvögel haben die offiziellen Internetseiten des WM-Büros der Stadt Köln kopiert und sie um einige Hinweise ergänzt, die den Ablauf der Fußballweltmeisterschaft für Sponsoren angenehmer gestalten sollen. Die anonymen Urheber nehmen damit die Kommerzialisierung und die überbordenden Regulierungen rund um die WM auf die Schippe.
    In einer offiziell anmutenden Checkliste werden die Kölner aufgefordert, einige Verhaltensregeln einzuhalten. So sollten während der Spielzeit möglichst keine Kleidungsstücke mit Markenzeichen von Nicht-Sponsoren im Bereich der Bannmeile um das WM-Stadion getragen werden. Autos mit Werbeschriftzügen sollten möglichst unauffällig geparkt werden. Die Wohnungsfenster sollten geschlossen werden, wenn aus dem Fernseher Werbung von Nicht-Sponsoren schallt. Auch das Nachpfeifen von nicht-lizenzierten Werbejingles sollte nach Kräften vermieden werden. Diese Checkliste wurde nicht nur ins Internet gestellt, sondern auch in der Nachbarschaft des Müngersdorfer Stadions verteilt.

    Die Stadt hat inzwischen reagiert: "Auch nach Rücksprache mit dem OK Köln der FIFA WM 2006" habe man festgestellt, dass sämtliche Ausführungen und Hinweise falsch seien und jeglicher Grundlage entbehrten, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Sportamtsleiter Dieter Sanden sagt: "Die Urheber des Schreibens und die Betreiber der Internetseite wollen die Bevölkerung verunsichern und die Fußball-Weltmeisterschaft in ein negatives Licht stellen." Auf Nachfrage erklärte die Pressestelle der Stadt, dass sich zwar mehrere Dutzend Bürger beim Sportamt gemeldet hätten, die meisten hätten die Anweisungen aber nicht für bare Münze genommen. Die Stadt Köln sieht das Treiben nicht ganz so humorvoll: Zurzeit wird ermittelt, wer hinter dem Scherz steckt und ob man die Urheber strafrechtlich verfolgen kann. Die Webseite bleibt vorerst online. Sie wurde anonym bei einem Provider in den USA registriert [Anm. hg: sie wurde inzwischen deaktiviert].
    Nach dem gleichen Prinzip betätigte sich auch ein Spaßvogel in Dortmund. Mehrere hundert Anwohner des WM-Stadions haben dort ein ähnliches Flugblatt in ihren Briefkästen gefunden. Auch hier wurde den Anwohnern empfohlen, jede Werbung von Nicht-Sponsoren aus dem Stadtbild zu entfernen. Darüber hinaus sei der Zutritt zu dem Sperrring rund um das Stadion nur noch mit einer Sondergehmigung der Stadt möglich und die sei für 10 Euro im Bürgerbüro zu bekommen. Auch hier ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen unbekannt.

Quelle: http://germany.indymedia.org/2006/06/148825.shtml


Neues aus der Selbststeuerungs-Szene

    Jenes Computerprogramm von Accenture, welches Tätigkeiten und Lebensgewohnheiten aufzeichnet und dann ein Spiegelbild aus der Zukunft entwirft, scheint für Rebellen möglicherweise kontraproduktiv zu sein - der jetzt-erst-recht-Effekt wird kaum zu unterdrücken sein, wenn mensch sich verändert im Future-Spiegel betrachtet. Ob das Programm soweit geht, einen auch im verwesten Zustand zu zeigen, wenn das Spiegelbild nur weit genug in die Zukunft geschaltet ist?
    Dass dieses und andere "Intelligente-Haus-Techniken" vor allem älteren Menschen mehr Unabhängigkeit verleihen soll, ist ein nicht uninteressanter Nebenaspekt.
    Ein weiterer ist, dass auf der Homepage der Firma Bezug genommen wird auf ihre Gesundheitsstudie mit dem Titel:
  • Krankenhaus-Studie identifiziert Sparpotenzial von 2 Milliarden Euro bei gleichzeitiger Nutzensteigerung

Sambaprotest

Lateinamerikagipfel in Wien. Politiker sehen die Botschaft des Volkes



Die diesjährige Sambakönigin protestiert beim Amerikagipfel gegen die Umweltzerstörung durch europäische Papierkonzerne

"Ein neues Zeitalter hat in Lateinamerika begonnen. Manche nennen es Populismus, um unsere Schönheit zu verstecken. Aber es ist die Stimme des Volkes, die gehört wird."(Chavez)

Nachtrag 30.7.06: Chavez sagt aber auch solches:
"Was Israel im Libanon macht, gleicht den Taten Hitlers, der Tod und Zerstörung in der Welt gesät hat".
Hl. Che! Schütze uns vor populistischen Antiimperialisten!

Apropos Che.... Aber das ist eine andere Geschichte...

Ein solides Quadrat der Macht

      Im Augenblick der Nominierung sah unser Herr den gebeugten Kopf desjenigen vor sich, den er zu hohen Würden berief. Aber selbst der weitreichende Blick unseres Herrn konnte nicht erkennen, was dann mit diesem Kopf geschehen würde. Der Kopf, der sich im Audienzsaal locker auf dem Hals bewegt hatte, veränderte schon beim Passieren der Tür seine Haltung, er hielt sich hoch und steif und nahm eine kraftvolle und entschlossene Gestalt an. Ja, mein lieber Herr, die Macht der kaiserlichen Ernennung war schon erstaunlich! Denn ein ganz gewöhnlicher Kopf, der sich vorher natürlich und frei bewegt hatte, jederzeit bereit, sich zu drehen und zu wenden, zu nicken und zu neigen, unterlag jetzt, gesalbt mit der kaiserlichen Ernennung, einer verblüffenden Beschränkung: von nun an bewegte er sich nur mehr in zwei Richtungen — zum Boden hinunter, in Anwesenheit des ehrwürdigen Herrn, und nach oben, in Anwesenheit der übrigen Menschen. Einmal auf dieses vertikale Geleise gesetzt, war der Kopf nicht mehr beliebig beweglich, und wenn jemand von hinten herantreten und plötzlich rufen würde: »Hallo, mein Herr!« — könnte dieser sich nicht einfach nach dem Rufer umdrehen, sondern müßte die würdige Haltung bewahren und den Kopf mitsamt dem Körper in Richtung der Stimme wenden.
      Bei meiner Arbeit als Beamter des Protokolls im Audienzsaal fiel mir überhaupt auf, daß die Ernennung eine grundlegende physische Veränderung in den Menschen hervorrief. Das faszinierte mich, und ich begann, diesen Vorgang genau zu studieren. Vor allem die Figur des Menschen verändert sich. Vorher schlank und biegsam, nehmen die Umrisse jetzt immer deutlicher eine quadratische Gestalt an. Ein massives, solides Quadrat —- Symbol der Würde und des Gewichtes der Macht. Schon die Silhouette läßt erkennen, daß wir nicht irgend jemanden vor uns haben, sondern einen Ausbund von Würde und Verantwortung. Dieser Veränderung der Figur entspricht eine allgemeine Verlangsamung der Bewegungen. Ein Mann, der von unserem ehrwürdigen Herrn ausgezeichnet wurde, wird nicht springen, laufen, hüpfen oder herumtollen. 0 nein, sein Schritt ist gemessen, er setzt den Fuß fest auf den Boden, eine leichte Neigung des Körpers nach vorn signalisiert Bereitschaft, eventuell auftauchenden Hindernissen die Stirn zu bieten. Die Bewegung der Hände ist bedächtig, frei von jeder unkontrollierten und nervösen Gestik. Auch die Gesichtszüge sind strenger und irgendwie gefroren, ernst und verschlossen, aber immer noch fähig, plötzlich Zustimmung und Optimismus anzuzeigen; aber insgesamt wird das Gesicht so, daß wir keinen psychologischen Kontakt mehr mit ihm herstellen können. Man kann sich in seiner Gegenwart nicht mehr entspannen oder aufatmen. Auch der Blick verändert sich. Länge und Auffall-winkel werden anders. Der Blick verlängert sich auf einen Punkt hin, der außerhalb unseres Gesichtsfeldes liegt. Wenn wir daher mit einem Ernannten sprechen, können wir von ihm auf Grund der allgemein bekannten Gesetze der Optik gar nicht gesehen werden, weil sich sein Blickpunkt weit hinter uns befindet. Er kann uns nicht sehen, weil der Einfallswinkel seines Blickes sehr stumpf ist — nach dem sonderbaren Gesetz des Periskops schaut selbst noch der kleinste Ernannte weit über unseren Kopf hinweg in eine unerreichbare Ferne oder auf einen bemerkenswerten Gedanken. Wir haben jedenfalls das Gefühl, daß seine Gedanken vielleicht nicht unbedingt profunder sind als unsere, aber jedenfalls wichtiger und verantwortungsvoller; es erscheint uns daher sinnlos und kleinlich, ihm unsere eigenen Gedanken mitteilen zu wollen, und wir versinken in Schweigen. Aber auch der Günstling des Kaisers verspürt keine Lust zu reden, denn mit der Ernennung verändert sich auch die Art zu sprechen. Volle und klare Sätze machen einem einsilbigen Brummen, Knurren, Räus-pern, bedeutungsvollen Pausen, verschwommenen Worten und überhaupt einem Gehabe Platz, das anzeigt, er habe das alles schon längst und viel besser gewußt. Wir fühlen uns daher überflüssig und gehen. Sein Kopf bewegt sich auf seinem vertikalen Geleis von oben nach unten in einer Geste des Abschieds.
      Es kam aber vor, daß der gütige Herr nicht nur beförderte, sondern jemanden — wenn er illoyales Verhalten feststellte — leider auch degradierte oder ihn gar — mein Freund, verzeih mir den harten Ausdruck — mit Schwung auf die Straße warf. Dann konnte man ein Interessantes Phänomen beobachten: In dem Moment, da jemand die Straße berührte, verschwanden alle Anzeichen der Ernennung, die physischen Veränderungen wurden rückgängig gemacht, und der Gefeuerte war wieder wie früher. Er legte sogar eine nervöse und etwas übertrieben scheinende Neigung, sich zu verbrüdern, an den Tag, als wollte er die ganze Angelegenheit vergessen machen, sie mit einer Handbewegung vom Tisch wischen und sagen; »Ach, vergessen wir's«, als handelte es sich um eine Krankheit, die nicht der Rede wert ist.
Kapuscinsky, König der Könige. Eine Parabel der Macht. 1978

Erschien im selben Jahr, als die Vorlesungen Foucaults zur Gouvernementalität stattfanden. Wäre interessant ob die beiden je voneinander gewusst haben oder aufeinander Bezug nahmen.