Vertuschungsmaschinerie


Peter Pilz, der Blogger ohne Permalink, hat heute einen Briefwechsel in seinen Blog gestellt, der es in sich hat:

DONNERSTAG, 07. FEBRUAR 2008

Der Innenminister hat eine "Evaluierungskommission" eingesetzt. Gegen ihren Vorsitzenden, einem ehemaligen Mitglied des Kabinetts Strasser, läuft ein gerichtliches Verfahren wegen der gesetzwidrigen Weitergabe der Daten der Familie Zogaj. Der zweite Beamte ist direkter Untergebener eines der hauptverdächtigen Kabinettsmitglieder. Aus gutem Grund genießen beide das Vertrauen des ÖVP-Ministers.

Platter sollte folgendes evaluieren:

Am 28. August 2006 wendet sich Herwig Haidinger, der Leiter des Bundeskriminalamtes, an das Kabinett der Innenministerin. Er mailt an Bernhard Treibenreif, der im Kabinett für die Bundespolizei zuständig ist:

„Bitte um Erledigung des Auftrages. In Ausübung der Fachaufsicht ist für mich von Interesse, ob aufgrund des Hinweises mit eben diesen mE markanten Kriterien weitere Befragungen, Erhebungen und letztlich eine Befassung des StA erfolgt sind oder nicht.

Die Darlegung dieser Umstände ist von grundsätzlichem Interesse für die Kriminalpolizei und hat möglicherweise Auswirkungen hinsichtlich eines allfälligen Amtshaftungsanspruchs des Opfers.“

Haidinger will, dass endlich aufgeklärt wird, warum einem zweiten Hinweis auf den Entführer im Jahr 1998 nicht nachgegangen wurde. Dazu hat er eine Weisung auf sofortige Einvernahme des Polizeihundeführers gegeben. Aber er stößt auf Widerstand. Beamte befolgen seine Weisung zur Einvernahme des Hundeführers nicht. Daher wendet sich Haidinger am 31. August 2006 ein zweites Mal an Treibenreif:

„Vom Leiter der Ermittlungsgruppe Genmjr. Koch, und CI Frühstück wurde mir vorige Woche ein Sachverhalt vorgetragen und die Aktenteile dazu vorgelegt, aus denen hervor geht, dass es einen zweiten Hinweis hinsichtlich der Fahndung nach einem weißen Bus/Kastenwagen in der gegenständlichen Causa (Natascha Kampusch) gegeben hatte.

Dieser Hinweis wurde vom SB Wien am 14.4.1998 (also 10 Tage nach dem ersten Hinweis) protokolliert:

Der Berichtsleger beginnt des Bericht damit, dass eine unbekannte männliche Person angerufen habe. Am Ende des Berichts wird unter der Bezeichnung „Nur für Handakte“ ein Natinale des Anrufers angeführt (es handelt sich um einen Polizisten).

In diesem Bericht wird ausgeführt, dass hinsichtlich der Fahndung nach dem weißen Kastenwagen ...im Bezirk Gänserndorf...in Bezug zur Abgängigkeit der Natascha Kampusch...es eine Person gebe,...welche mit dem Verschwinden in Zusammenhang stehen könnte. Folgende (wesentlich für eine mögliche Täterschaft scheinende) Argumente werden dabei aufgeführt:


der Mann sei ein Eigenbrötler, welcher mit seiner Umwelt extreme Schwierigkeiten und Kontaktprobleme habe
er wohne mit seiner Mutter in Strasshof/Nordbahn, Heinstraße 60 (Einfamilienhaus)
dieses Haus sei jedoch vollelektronisch abgesichert
auch soll der Mann eventuell Waffen zu Hause haben
vor dem Areal soll öfters sein weißer Kastenwagen...abgestellt sein
der Mann soll einen Hang zu Kindern in Bezug auf Sexualität haben


Aus dem mir vorgelegtem Aktenmaterial geht in der Folge hervor, dass – unter Hinweis auf die erste Überprüfung an dieser Adresse am 6.4.1998 – Erhebungen über Auftrag des SB Wien vom GP Deutsch Wagram bei Meldeamt der Marktgemeinde Strasshof/N angestellt wurden, welche ergaben, dass in besagtem Haus Priklobil W. (Mutter) ...polizeilich gemeldet und Priklopil Wolfgang (Sohn)...aufhältig, jedoch nicht polizeilich gemeldet seien.

Weitere Erhebungen/Überprüfungen sind in der Aktenlage nicht ersichtlich.

Ich habe daraufhin die Weisung zur weiteren Prüfung erteilt. Insbesondere sollte festgestellt werden, ob und von wem weitere Ermittlungen geführt worden sind, da bei der Sachlage im Zusammenhang mit den oben dargestellten Kriterien jedenfalls intensive Ermittlungen hätten aufgenommen werden müssen.

Mittlerweile wurde der damalige Hinweisgeber, ein Hundeführer der BPD Wien, befragt und hätte angegeben, ja, er sei der Hinweisgeber gewesen, er wolle aber nicht, dass darüber jetzt eine Niederschrift aufgenommen werde (mündliche Mitteilung von GenMjr. Koch an mich über nachfragen).

Meine nunmehr auch schriftlich ergangene Weisung an AL II/BK/3 Mag. Erich Zwettler und LPK GenMjr. Koch (bis heute 11:00 Uhr schriftlich darüber zu berichten) wurde nicht befolgt.

Dazwischen kam es auch zu einer Intervention des GD-StV Gen. Lang Franz, der in der Angelegenheit Mitarbeiter zu einer Sitzung einberief, von der ich nichts wusste und auch nicht eingeladen war.

AL II/BK/3 Mag. Erich Zwettler und LPK GenMjr Koch Nikolaus hatten mitgeteilt, dass der zuständige StA die Weisung erteilt habe, auch BM.I intern nichts hinaus zu geben. Mit diesem Argument wurde die Befolgung meiner Weisung bisher abgelehnt, obwohl ich darauf hingewiesen hatte, dass sich meine fachliche Weisungsbefugnis aus dem BK-Gesetz und der GE/GO eindeutig ergebe und auch dieses durch die Weisung des StA (auch BMI intern nichts hinaus zu geben) nicht verkürzt werden könne.

Damit verstärkt sich mein Eindruck, dass hier „etwas vertuscht“ werden sollte. Abgesehen vom Umstand, dass die Nichtbefolgung meiner Weisungen disziplinarrechtlich zu ahnden sind.

Ich hatte mehrfach darauf hingewiesen (auch gegenüber dem GD-StV und der Ressortleitung), dass durch diese Vorgangsweise allenfalls entstehende/entstandene Amtshaftungsansprüche des Opfers verkürzt werden könnten.“

Am 14. September ist der Polizist noch immer nicht einvernommen worden. Haidinger wendet sich wieder an Treibenreif. Zum ersten Mal schreibt er über eine „Weisung der Ressortleitung“:

„Ich schicke dir diese eMail deshalb, weil ich vermute, dass in der Sache in der Ressortleitung interveniert werden wird. In der Sache haben wir – beide – darüber gesprochen – und sind zu ein und derselben Meinung gelangt.

Lieber Bernhard, ich möchte auch gar nicht, dass du deinerseits intervenierst. Ich komme meinerseits auch den Weisungen meiner Vorgesetzten nach; auch wenn ich sie aus fachlicher Sicht nicht teile oder anderer Ansicht bin, erfülle ich sie doch (zB Weisung der Ressortleitung, die Angelegenheit mit dem zweiten Hinweis derzeit nicht weiter zu untersuchen). Nach wie vor bin ich anderer Ansicht, halte mich aber dennoch an die Weisung meiner Vorgesetzten.

Alleine der Umstand, dass ich drei Wochen lang fortwährend – mündlich und schriftlich – die Weisung wiederholen muss, ist nicht zu akzeptieren, darf nicht akzeptiert werden. Ich glaube, ausreichend Geduld und Verständnis bewiesen zu haben.“

Treibenreif antwortet eine Stunde später:

„Lieber Herwig,
s.g. Herr Direktor,
ich danke dir für die Info.

Ich ersuche dich weiterhin – wie auch schon bisher zwischen uns vereinbart – unsere beiden Vereinbarungen in dieser Angelegenheit zu beachten.

Betreffend der von dir gewählten Vorgehensweise hinsichtlich fachlicher Weisungen an die SOKO odgl. kann – und möchte ich mich auch nicht engagieren – hier bin ich auch viel zu wenig in die Sache involviert.

Meine Hintergründe kennst du ja ohnehin – wir möchten die Angelegenheit mit der bestehenden Struktur abschließen, weil bisher – abgesehen von manch internem verbesserungswürdigem Kommunikationsprozess – gute Arbeit von deiner SOKO geleistet wurde. Wir beide wissen, dass auch die mediale Präsenz bisher von Euch (angefangen von Dir in der ZIB) sehr sehr gut abgearbeitet wurde.

Deshalb immer wieder auch meine Versuche, die Angelegenheit ohne größere Eklats abzuschließen – wäre ja schade darum.

Ersuche weiterhin um Unterstützung.

Mit besten Grüßen
Bernhard“

Erst am 26. September nimmt Haidinger zur Kenntnis, dass der Fall „Kampusch“ vertuscht wird. Das Ministerium wünscht „keine Eklats“. Haidinger mailt ein letztes Mal an Treibenreif:

„Sehr geehrter Herr Brigadier!
Lieber Bernhard!

Inhalt der ersten Weisung an mich war, dass keine Erhebungen zum zweiten Hinweis (Stichwort: Hundeführer aus Wien) gemacht werden dürfen. Dem Willen der Ressortleitung folgend habe ich mich – wenn auch unter Protest – an diese Weisung gehalten.

Inhalt dieser Weisung war auch eine zeitliche Komponente: Nämlich bis zu dem Nationalratswahlen damit zuzuwarten. Dieser Termin ist mit kommendem Sonntag erreicht.

Danach beabsichtige ich eine Evaluierung des Falles zu beauftragen. Ich hoffe, die Ressortleitung ist damit einverstanden (hebt also die derzeit noch bestehende Weisung auf).

In der Sache selbst, sehe ich folgenden Aufklärungs- und Verbesserungsbedarf für die Kriminalpolizei:

Warum wurde mit dem zweiten Hinweis nicht weiter gearbeitet (weitere, eingehendere Befragung), obwohl ein weiterer Hinweis auf ein und denselben Mann gekommen ist und mehrere konkrete Kriterien enthielt, die über den ersten Hinweis weit hinaus gingen;
Warum wurde der Hundeführer (Kollege aus Wien) nicht ein einziges Mal befragt (noch dazu, wo er in derselben Behörde Dienst versieht);
Warum wurde der Zeugin, die die Entführung beobachtet hatte, kein Lichtbild von P. gezeigt;
Warum wurde vom LPK (damals LGK) Burgenland der Umstand nicht festgestellt, dass hier ein zweiter, weiter führender Hinweis vorlag, der nicht bearbeitet worden ist;

Das sind, kurz zusammen gefasst – wesentliche Fragen, deren Aufarbeitung die Kriminalpolizei für ein nächstes Mal professioneller machen muss. Darum geht es mir – und nicht um strafrechtliche oder disziplinäre Untersuchungen, wie mir bösartig zu unterstellen versucht wurde.

Die zweite Weisung, den LPK GenMjr Koch Nikolaus von der operativen Einsatzleitung nicht entbinden zu dürfen, obwohl er mehrfach meine Weisungen nicht befolgt hatte (und bis heute nicht hat), kommentiere ich hier nicht mehr.

Lieber Bernhard, wir waren in diesem Fall nicht so gut, wie ich mir das vorstellte. Das schmerzt, aber es muss (!) behandelt werden.

Herwig Haidinger“

Treibenreif hat es für seine Ministerin geschafft. Der Fall „Kampusch“ wird die Nationalratswahl nicht stören. Die ÖVP kann weiter einen Sicherheitswahlkampf führen.

Einige der Beamten werden später belohnt. Treibenreif arbeitet nach wie vor im Kabinett des Innenministers. Er kontrolliert von dort die gesamte Polizei. Bernhard Treibenreif genießt das Vertrauen des Ministers. Günther Platter weiß, was er an ihm hat.












Die Mission

Es herrscht Sicherheit
  • Wir werden sie nicht zurückholen, wir sind aber gerade dabei, eine Verlegung in Richtung Flughafen vorzubereiten, um noch mehr Sicherheit zu schaffen.
  • gut und richtig, wenn unsere Soldatinnen und Soldaten sich in Richtung Flughafen bewegen und dort in einem Camp noch sicherer sind als in der Hauptstadt
  • Für sie besteht derzeit keine Gefahr. Sie werden von den Franzosen beschützt.
Mission possible
  • die Chance, dass diese Mission lebt, gibt es aus meiner Sicht aber in großem Ausmaß noch.
  • Unser Medical Team hat dort auch Hilfe für ein verletztes Kind des saudischen Militärattachés geleistet.“
Strategische Reflexionen
  • bemerkenswert, wenn ein Rebellenaufmarsch über Tausende Kilometer so ungehindert erfolgen kann.
  • hätte Frankreich Partei ergriffe, dann wäre es nicht zu diesen Kämpfen gekommen.
Motivationsschub
  • Es nützt niemandem, die Nerven jetzt wegzuwerfen.

aus dem Standard, der Presse. Stellungnahmen von Verteidigungsminister, Außenministerin und EUFOR-Sprecher zum Tschadeinsatz.
Informativeres gibt es hier und hier.

Keine Chance für Konservative am Vernunftskriegsschauplatz der linken Teufelsanbeter

Armin Mohler zitiert in "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932" den moderateren Konservativen Georg Quabbe, zu dessen Buch "Tar a Ri" er meint, dass es aus dem Schrifttum des Konservativismus durch seine Intelligenz hervorrage und damit das seit dem 19. Jahrhundert eingebürgerte Wort "Der Geist steht links" Lügen strafe. Dass eine solche Bemerkung in einem Buch mit mehreren hundert Seiten bibliographischer Angaben über konservative bis rechtsextreme Autoren der Weimarer Republik nur einem einzigen zugedacht wird, ist wohl aufschlussreicher, als der Verfasser beabsichtigte.

Auch das Zitat aus "Tar a Ri" bringt es auf den Punkt, was den Konservativismus im Unterschied zur Linken ausmacht, und das aus der Sicht eines Konservativen:
Dem Konservativen ist das Nachdenken über die Grundlagen der eigenen Weltanschauung eine Art Profanierung, so wie die Notwendigkeit der Beweisführung für die Existenz Gottes ein ästhetisches Ärgernis für jeden wirklich Gläubigen ist, die Zurückführung eines irrationalen Wertes auf das rationale Niveau, eine Entgötterung des Göttlichen, dem der Reiz des Unerklärlichen genommen wird, ohne dass man es mit den Teufelsanbetern der Linken auf ihrem Vernunftskriegsschauplatz ernstlich aufnehmen könnte."
That's it.
Im Einzelnen mögen durchaus kluge Überlegungen und tiefere Einsichten vorkommen, wie immer wieder etwa bei Ernst Jünger. Aber auch bei ihm bleibt unterm Strich jenes diffuse Etwas, ein aus alten Legenden, aus innerer Schau-Schau und aus gewaltsam zurechtgebogenen Mythen zusammengebasteltes Gebäude, auf Sand gebaut und von jeder kritischen Frage vom Zusammensturz bedroht. Auch ohne die Teufelsanbeter der Linken :-)

Meine Nachbarn schauen wirklich anders aus!

Und wieder erfahren wir den Angelpunkt zur Erklärung menschlicher Verhaltensweisen. Diesmal ist es, wie Amazon gerade meint, dass es mich interessieren könnte, weil ich "Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform" von Ulrich Bröckling gekauft habe, das Buch: Warum die Reichen reicher werden und Ihr Nachbar so aussieht wie Sie. Neue Erkenntnisse aus der Sozialphysik von Mark Buchanan. Abgesehen davon, dass es interessant wäre, wie Amazons Algorithmus eine Verbindung von dem einen Titel zu dem ganz anderen schafft, lese ich noch vor dem Frühstück was, was ich auch nach dem Frühstück nicht gebraucht hätte, so doof ist es:
Wir verstehen die Verhaltensweisen von Gruppen nicht, wenn wir die Entscheidungen der daran beteiligten Menschen isoliert betrachten. Doch eine neue Disziplin entdeckt die physikalischen Gesetze des menschlichen Zusammenlebens: die Sozialphysik. Sie zeigt unter anderem, dass Einzelentscheidungen sich summieren und zu Massenphänomenen werden können. Entwicklungen in größerem Maßstab folgen quasi naturgesetzlichen Mustern. Auch in Ihrer Umgebung.Wir können als Individuen überzeugt davon sein, dass ethnisch gemischte Wohnviertel erstrebenswert sind. Doch schon der Wunsch nach einer minimalen Präsenz von Nachbarn der eigenen Gruppe führt in kurzer Zeit zum fast vollständigen Verlust der Vielfalt. Und deshalb sieht Ihr Nachbar aus wie Sie!
Nie und nimmer sahen je meine Nachbarn so aus wie ich - oder ich wie sie. Bzw, da ich nach meinem frühen Auszug aus der elterlichen Wohnung viele Jahre in WGs logierte, sahen wir immer ganz andes aus als die Nachbarn, und das ließen sie uns zumeist auch fühlen. Innerhalb der WGs war die Mischung zumeist auch sehr multi und kulti. Die meiste Sprengkraft hatte eine Zusammensetzung von Ethnien aus Graz, Bregenz, Kapfenberg, Mattersburg, Horn und Wien. Da war die Zusammensetzung mit "einem echten Neger", wie die Nachbarn erstaunt feststellten, kulturphysikalisch eher einfach. Auch sonst, bis heute, kann ich mich nicht erinnern, dass die Nachbarn so aussahen wie ich oder wir. Entweder war ich der einzige, dessen Migrationshintergrund schon zweieinhalb Generationen zurücklag, oder es waren und sind halt Leute aus verschiedenen, wenn auch vorwiegend (unmittelbareren) österreichischen Herkünften, mit denen spätestens nach dem dritten ausgetauschten Satz klar ist, dass es sich nicht weiter lohnt, miteinander zu reden, auch wenn es nicht um den angeblich ungepflegten Garten, die angeblich herumlaufenden Katzen und den angeblich zu laut bellenden Hund, sowie die gerade nicht brennende Türbeleuchtung oder den vergessenen Waschküchenschlüssel geht. Und diese unterschiedlichen Redens-Arten schlagen sich auch im Aussehen nieder, scheints.

Aber vielleicht bin ich so was wie der Referenznachbar des Mark Buchanan, den er sich als optimale physikalische Bezugsgröße wünscht? Wer weiß.

Keine wahre Vorstellung

Juni 1945. Inzwischen wurden die Professoren wieder einmal sehr unruhig und deuteten mir an, dass bald der Zeitpunkt kommen könnte, wo sie verzweifelte Maßnahmen ergreifen würden, um die Welt auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Heisenberg sagte ferner, sie vermuteten,
dass ihr potentieller Wert nach den in ihren jeweiligen Instituten vorgefundenen Dokumenten beurteilt werde. Diese Dokumente vermittelten keine wahre Vorstellung von dem Umfang ihrer Versuche, die schon viel weiter gediehen seien, als aus diesen Dokumenten hervorgehe... Er bat um eine Gelegenheit, die ganze Sache mit britischen und amerikanischen Wissenschaftlern zu erörtern, um sie mit den jüngsten Theorien der Deutschen bekannt zu machen und einen Plan für die künftige Zusammenarbeit auszuarbeiten.
(Aus dem Bericht des betreuenden Offiziers)(Farm-Hall-Protkolle S.95)

Hier spricht noch ganz der sich seiner geistigen und fachlichen Überlegenheit völlig sichere Herrenmensch, der noch nicht weiß, dass die Alliierten die A-Bombe bereits haben und nicht angewiesen sind auf die "viel weiter gediehenen" Versuche der deutschen Physiker.

"Ein Sterbefall ist ...

... genau genommen ein Konkurs", stellte der Notar gegenüber uns Angehörigen fest. "Und wenn weniger da ist, als die Forderungen ausmachen, fallen Sie mit Ihren Ausgaben für den Verstorbenen leider durch den Rost", setzte er unnötigerweise noch hinzu.

Und beides hat mit Glauben zu tun, könnte man ergänzen: die Gläubigen glauben an ein Leben nach dem Tod, die Gläubiger an einen Anteil an der Masse.

Chuzpe

Mai 1945. Quartiersuche für die festgehaltenen deutschen Physiker:

Die Situation im Chateau von Chesnay wurde immer schwieriger, weil die Professoren sich darüber entrüsteten, dass sie als - wie sie es formulierten - „Kriegsverbrecher“ behandelt würden ...
... Die Professoren wurden immer nervöser ... ich sagte ihnen, dass sie sich noch gedulden müssten und dass alles nur Mögliche für sie getan werde. Um ihnen ihre Lage etwas zu erleichtern, fuhr ich mit ihnen im Auto gruppenweise nach Versailles, um die Gärten und das Schloss zu besichtigen ...
... Es war jetzt klar, dass die entstandenen Schwierigkeiten auf einen vom Oberkommandierenden erlassenen Befehl zurückgingen, der besagte, dass gefangengenommenen deutschen Staatsbürgern keinerlei Vorzugsbehandlung zuteil werden dürfe ...
... veranlasste, dass die Gruppe kurzfristig in einer Villa in Le Vesinet in der Nähe von St. Germain untergebracht werden konnte. Die Professoren waren hochererfreut über die Aussicht, das von ihnen so bezeichnete „Konzentrationslager“ [sic !]verlassen zu können (Farm Hall Protokolle S. 85)

Heisenberg u.a.

Bei der Beschäftigung mit den Rechten bin ich zu meiner Überraschung auch auf Heisenberg gestoßen, der nach dem Krieg mit Jünger und Heidegger von Jüngeradepten zu einer Art rechtsintellektuellem Dreibund zusammengeführt werden sollte, was aber über einige öffentliche Treffen nicht weiter hinausging.
Von Heisenberg war mir durch die ihn betreffenden biographischen Schriften der Eindruck vermittelt worden, es handle sich bei ihm und den anderen Physikern des Atombombenprojekts in Deutschland um jenen Typus von Nazigegnern, die auf fast schwejksche Art verhinderten, dass den Nazis der Bau einer Atombombe gelinge. Sowohl Paul Lawrence Roses "Heisenberg und das Atombombenprojekt der Nazis", dessen Buch wegen vieler Ungenauigkeiten und einem zweifelhaften kulturphilosophischen Ansatz zurecht kritisiert wurde, in vielen Punkten aber zuzustimmen ist, als auch John Cornwells "Forschen für den Führer. Deutsche Naturwissenschaftler und der Zweite Weltkrieg" lassen da einige Zweifel aufkommen.
Demnach war Heisenberg ein weitgehend opportunistischer Karrierist, dem es auch nach dem Krieg nicht einfiel, seine Verhaltensweisen im Nationalsozialismus einer kritischen Analyse zu unterziehen.

Ein Beispiel, wie Naziargumentation auch nach der Nazizeit (in diesem Fall auch bei mir) wirkt, ist die oft zitierte Formulierung, dass Einstein zwar die Relativitätstheorie als erster entdeckt habe, aber im Grunde nur der Letzte einer Reihe anderer bedeutender Physiker wäre, die alle schon nahe an der Lösung gearbeitet hätten.
Dass diese Formulierung eine Kompromissformel war, um die neue Physik durch das Herunterspielen des (jüdischen) Anteils Einsteins gegen die Naziphysik zu behaupten und damit den Heisenbergs et al die von den jüdischen Wissenschaftlern hinterlassenen Lehrstühle zu sichern, ist mir jetzt erst bewusst worden.

Da in den zwei genannten Bücheren immer wieder auf die Farm-Hall-Protokolle Bezug genommen wird, habe ich diese in der Ausgabe von Dieter Hoffmann "Operation Epsilon. Die Farm-Hall-Protokolle oder Die Angst der Alliierten vor der deutschen Atombombe" nachgelesen. Diese von den Briten abgehörten und mitgeschnittenen Gespräche der deutschen Physiker während ihrer 6monatigen Internierung unmittelbar nach dem Krieg vermitteln einen einzigartigen Einblick in das Denken und Fühlen - und in die Arroganz - dieser Elite-Gruppe aus dem Nazireich.

Leicht missverstandene Wörter

zum Beispiel die Gradwanderung.
Ignoranten meinen, und spotten leichthin über unsereinen, welcher gerade durch die pannonische Tiefebene gradaus wandert und dies auf den Begriff zu bringen versucht. Es ist mühsam, den dudelnden Spöttern mit ihrem retadierenden "hartes t, hartes t" so viel Spottpause abzuringen, um die Botschaft anzubringen, dass es in dieser Gegend einfach keine Erhebungen gibt, deren Form auch nur annähend der eines Berggrats entspricht. Doch beim nächsten Mal haben sie es doch wieder vergessen. Soll ich mich deswegen den Gefahren des Hochgebirges aussetzen? Eher nicht.

Bibliothekarisches Image, landläufig.


Auf Seite 23 seiner Erinnerungen "Ich nicht" bringt Joachim Fest es auf den Klischeepunkt:
Tante Dolly dagegen hatte ihrem Ehrgeiz von frühauf Grenzen gezogen und war Bibliothekarin geworden

Au Backe, Bracke! Das ...


haben wir gebraucht  :-)
In der Diskussionssendung "Nachtcafe" im SWR zum Thema "Die 68er - vom Aufbruch zur Altlast" vom 18. 1. 08 wurde eine der vielen Bilanzen vorgestellt, welche uns dieses Jahr noch ins Haus stehen werden. Das ist zwar von eher geringerem Interesse, doch das Ende der Sendung steht wohl paradigmatisch dafür, wie und wo die so gerne nach einer Jahreszahl Genannten heute angesiedelt werden:

"Zum Abschluss" sagte der Gastgeber Wieland Bracke sinngemäß, "will ich ein Zitat bringen: Der Aufstand der Jugend ist so lange berechtigt, solange die Alten sitzen bleiben! Unsere nächste Sendung beschäftigt sich mit: Recht auf den eigenen Tod? - Sterbehilfe in Deutschland".

No books but drugs


Im Jahr 2003 wurden im Auftrag der zuständigen Stadträtin die Lehrlingsbüchereien aus dem Verband der Büchereien entfernt und mit unausgebildeten ehrenamtlichen Kräften auf Schmalspurbasis weitergeführt. Auch den PatientInnenbüchereien ging es an den Kragen: Die PatientInnenbücherei im Allgemeinen Krankenhaus Wien wurde trotz beeindruckenden Aufschwungs der Entlehnzahlen und der BenutzerInnenfrequenz unter anderem mit der Begründung gesperrt, dass das AKH dringend eine Apotheke brauche.

In einem Artikel in einer alternativen Gewerkschaftszeitung ist damals unter der Überschrift "Matto regiert" geschrieben worden:

Lehrlingsbüchereien werden enthirnt, bzw. einem Zombiedasein zugeführt, die AKH-Spitalsbüchereien werden von Büchern entleert und der Pharmazie in Gestalt einer Apotheke überantwortet (no books but drugs), einzig im "Sozialmedizinischen Zentrum Ost" gibt es eine insofern akzeptable Lösung, als die Leitung der SMZO den Büchereibetrieb aufrecht erhalten will. Solang sie will ...
(Nachtrag: Auch diese PatientInnenbücherei ist inzwischen gesperrt worden - Geldmangel natürlich).

Die Räumlichkeiten der AKH-Bücherei dämmerten dann viereinhalb Jahre vor sich hin, nun werden sie wachgeküsst:
Aus dem Amtsblatt der Stadt Wien
MA 40-1-9639/07

Kundmachung

Frau Mag.pharm. U.F., Apothekerin, hat um die Erteilung der Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke im 9. Wiener Gemeindebezirk mit dem nachstehenden angeführten Standort angesucht:
„Hauptgebäude des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien."

Die voraussichtliche Betriebsstätte soll sich in Wien 9, Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien, ehemalige Patientenbibliothek, befinden.

Erschienen in der Wiener Zeitung am 12.01.2008


Vielen Dank an "Mr. Linksblock", der den Hinweis gepostet hat und an jene Bibliothekarin aus Fünfhaus, die beim Sonntagsfrühstück das Amtsblatt liest!

Grenzsoldaten ohne Grenze


Stefan Prähauser , Wehrsprecher der SPÖ bringt es auf den Punkt:
„Die Soldaten leisten an der burgenländisch-ungarischen und niederösterreichisch-slowakischen Grenze ausgezeichnete Arbeit und erhöhen das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung."
(via Pilz)