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Die Magistratsabteilung 13 – ein Duodez-Fürstentum?



Aus dem KIV-MAGAZIN
        »Man wird dort freilich sehr schnell alt, aber man bleibt es auch lange. Deshalb ist es allen Leuten, die weiter nichts vom Dasein verlangen, auf das Angelegentlichste zu empfehlen, sich dort niederzulassen und ein stilles Leben zu führen, ein Leben in Duodez.« Hermann Löns
Seit dem Amtsantritt des neuen Abteilungsleiters der MA 13 vor zwei Jahren hat sich für die Büchereien als personell weitaus größte, in der innermagistratischen Hierarchie aber ganz nach unten gerutschte Dienststelle der MA 13 zwar nichts geändert an inhaltlichen Orientierungen, an der Qualität der Büchereiarbeit, an der steigenden Akzeptanz der Büchereien durch die Wiener Bevölkerung, kurz, an der erfolgreichen Basisarbeit der Bediensteten der Büchereien. Geändert und zwar erhöht hat sich aber die Anzahl der Anordnungen, Weisungen und Interventionen durch die Abteilungsleitung. Der Umgangston ist rauher geworden, die Auffassung, dass die Büchereien im Grunde nur der Wurmfortsatz der MA 13 seien, hat sich in instrumentales Handeln umgesetzt und spiegelt sich in der Hierarchiestruktur der MA 13 wieder, die nicht zufällig an die Kleinfürstentümer im Deutschen Reich im 18. und 19. Jahrhundert erinnert:
Zuerst kommt der Fürst, sprich der Abteilungsleiter. Darunter, wie in allen Duodez-Kleinstaaten, bildet sich das Gemenge eines eilfertigen Hofstaates, für den sich die entsprechenden Kleinherrschaftsfunktionen durch Zellteilung in die Fachbereiche (FB) Bildung und Jugend auch finden ließen und welche naturgemäß LeiterInnenposten erheischen. Diese sind den nachgeordneten Dienststellen gegenüber weisungsberechtigt. Ebenfalls weisungsberechtigt – und das ist sogar im Wr. Magistrat einmalig – sind die sogenannten Koordinationsbereiche (KB) Budget&Personal, Controlling, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit, die natürlich ebenfalls mit Leitungsfunktionen bestückt sind.
Das heißt, die Leitung der Büchereien hat Weisungen zu befolgen
  • vom Abteilungsleiter,
  • von der Abteilungsleiter-Stellvertreterin,
  • von der Leiterin des FB Bildung,
  • von der Leiterin des KB Organisation,
  • von der Leiterin des KB Controlling,
  • von der Leiterin des KB Budget- und Personal,
  • von der Leiterin des KB Öffentlichkeitsarbeit.
Da die stv. Abteilungsleiterin auch die Leiterin des FB Bildung sowie Leiterin des KB Organisation ist, kann sie dem Leiter der Büchereien ihre Weisungen sogar dreifach erteilen.
Sie kann sogar sich selber Weisungen erteilen, weil sie in ihrer weiteren Funktion als Leiterin der Media Wien sich selber gegenüber weisungsgebunden ist. Diese Situation der Selbstweisung erinnert ein bisschen an den Roman „Der Ochse von Kulm“ in welcher ein Bauer, der wegen eines politischen Vergehens eine Haftstrafe erhalten hatte, als Freigänger seinen Acker mit seinem (in Wahrheit ausgeliehenen) Ochsen bearbeiten durfte und gleichzeitig von der Justizverwaltung wegen Personalmangels sich selber als Aufsichtsorgan beigestellt wurde.

Wie es sich für Duodezfürsten gehört, entspricht die Bestimmtheit der Weisung nach unten dem ehrerbietigen Nicken nach oben:
  • Als die Innenrevision aufgrund dubioser Berechnungen zu dem Schluss kam, dass die Zweigstellen der Büchereien um 31 Dienstposten zu viel hätten, gab es von Seiten der Leitung der MA 13 statt eines heftigen Protestes gegen diesen Angriff auf die Büchereien umgehend einen Aufnahmestopp, der schon fast 1 Jahr währt. Das dadurch ersparte Geld wurde für Computer ausgegeben und das Personalbudget für 2007 vermindert.
  • Als die Innenrevision der Ansicht war, dass 2 Kolleginnen eine Zulage zu unrecht bezogen hätten, gab die MA 13 ebenfalls umgehend die Weisung, diesen KollegInnen den strittigen Betrag vom Gehalt abzuziehen, womit sie zwar sowohl gegen die Bedienstetenordnung als auch gegen das Personalvertretungsgesetz verstieß, aber dafür hoffen durfte, dass das Auge der Innenrevision künftig milder auf das kleine Fürstentum herniederblickt.
  • Ebenfalls schnell reagierte die MA 13 auf das Ansinnen von oben, einige Dienstposten in die Richtung der Kindergärten frei zu geben, das heißt, sie für die Büchereien zu streichen: ohne die Personalvertretung und die Büchereienleitung zu informieren, waren plötzlich 4 Posten weniger im Dienstpostenplan vorhanden.
  • Anlässlich einer Büchereiveranstaltung, in welcher das neue Buch von Henryk Broder, welches sich kritisch mit dem Umgang westlicher Länder mit islamistischer Ideologie auseinandersetzte, vorgestellt werden sollte, verlangte ein islamischer Verein von der MA 13, dass diese Veranstaltung von einer Buchvorstellung in eine Podiumsdiskussion mit einem ihrer Vertreter umzufunktionieren wäre. Statt darauf hinzuweisen, dass es wie immer im Anschluss an eine Buchvorstellung ohnehin eine Diskussionsmöglichkeit gebe, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen seien, übernahm die Leiterin des Fachbereichs Bildung die Forderung des islamischen Vereins und erteilte der Bibliothekarin die Anordnung, die Veranstaltung als Podiumsdiskussion durchzuführen und drohte im Falle der Weigerung mit Sanktionen.
    Dank der Bibliothekarin, welche sich diesem sachlich ungerechtfertigten Ansinnen widersetzte, konnte die Veranstaltung und die nachfolgende Diskussion auch mit Teilnehmern des islamischen Vereins erfolgreich durchgeführt werden. Wenn die Anordnung der MA 13 befolgt worden wäre, hätte dies zu einem Abbruch der Veranstaltung durch den Buchautor geführt, und aus dieser kleinen Blamage der MA 13 wäre dank der ausgezeichneten Pressekontakte von Henryk Broder wohl ein mittlerer Skandal geworden.
    Dass die Leitung der MA 13 es hernach nicht für nötig befunden hat, sich bei der Bibliothekarin zu entschuldigen bzw. sich für die Verhinderung einer größeren Blamage zu bedanken, ist wohl zu erwarten gewesen.
Fürsten entschuldigen sich nicht und bedanken sich bekanntlich sehr ungern.

Protestierende BibliothekarInnen

Resolution
    Die Bediensteten der Büchereien Wien protestieren gegen den von der Innenrevision erstellten Bericht vom Juni 2006, in dem durch fragwürdige Berechnungsmethoden und realitätsferne Interpretationen eine Personalverminderung um bis zu 31 Dienstposten empfohlen wird. Die Einbeziehung der KollegInnen mit Behinderung (PAST) in diese Personalabbau-Kalkulation wird als menschenverachtend und unsozial zurückgewiesen.
    Dass die MA 13 auf diesen Bericht mit einem Stopp von Nachbesetzungen von frei werdenden Posten reagierte, wird von den Bediensteten ebenso abgelehnt wie die Streichung von 4 Dienstposten anlässlich der Sperre zweier Büchereien.
    Diese Vorgangsweise der MA 13, die im Falle der Dienstpostenstreichung unter Umgehung der Personalvertretung und der Leitung der Büchereien Wien erfolgte, lässt den Schluss zu, dass die Abteilungsleitung nicht voll hinter der Dienststelle Büchereien steht, sondern sich als verlängerter Arm der auf Personalreduktionen orientierten Innenrevision versteht.
    Angesichts der Effizienzsteigerung der Zweigstellen von 48% seit 2002 verlangen die Bediensteten der Büchereien Wien, dass die derzeit laufende Personalbedarfserhebung durch die MA 13 dieser Intensivierung bibliothekarischer Arbeit in realistischer Weise Rechnung trägt.
    Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Büchereien nur dann als integraler Bestandteil einer Bildungsoffensive wirken können, wenn sie mit den entsprechenden materiellen und personellen Ressourcen ausgestattet sind.
    Daher kann aus der Sicht der Bediensteten der Büchereien das Ergebnis der Personalbedarfserhebung nur eine Vermehrung und keine Verringerung der Dienstposten sein.
Einstimmig angenommen von der Teildienststellenversammlung vom 7. November 2006

Man wird ja noch fragen dürfen

    Wieder steht eine "KundenBenutzerInnen-Zufriedenheitsbefragung" einigen Büchereien ins Haus. Und wieder hat diese, wie die vorhergehenden nicht die Eruierung der Qualität des Angebot und des Services im Blickfeld, sowie die Möglichkeit für UserInnen ihre Wünsche an die Institution zu deponieren, sondern die argumentative Unterfütterung von bereits geplanten Maßnahmen, die aber derzeit noch nicht offen gelegt werden. Soweit aber absehbar, wird es sich um eine Ausweitung der Öffnungszeiten der einen Gruppe von Büchereien handeln und um eine radikale Reduzierung in Richtung Null-Öffnungszeiten von anderen Büchereien, also Schließung. Inklusive Personalreduzierung natürlich.
    Und natürlich gibt es als zusätzliches Kontroll- und Steuerungsisntrument eine "Spiegelbefragung" der Bediensteten - ob sie auch ja verstehen, was die Abteilungsleitung aus den Antworten herauszulesen wünschen.

    Eine Gelegenheit, sich an die letzte Befragung (pdf, 32 KB)zu erinnern, die vor knapp 2 Jahren stattgefunden hat. Da von einigen Bediensteten ein Teil der BenutzerInnenantworten vor der Auswertung durch die Firma kopiert werden konnte, war es möglich, den manipulativen Methoden und gezinkten Auswertungen auf die Spur zu kommen.
    Dazu passt auch noch ein Entwurf zur Einschätzung der damals stattfindenden "buechereienevaluierung (pdf, 27 KB)". Ist auch schon 2 Jahre alt, aber immer noch nicht ganz falsch.

Bibliothekar - Genichtetes Nichts

Der Bibliothekar – ein Beruf im Zustand des Genichteten Nichts.
    Eine ontologische Feldforschung auf den Spuren Heideggers.
    (Sonderdruck aus: Blätter zur Berufskunde N.F.: Berufe, die auf den Hund gekommen sind; 3)
    von Rainer Strzolka
    Historischer Abriss und theoretische Grundlegung

    Früher waren Bibliothekare Kardinäle oder wenigstens freie konventionslose Feingeister, die für den Besitz eines Buches auch mal einen Mord begingen, wenn es unbedingt sein musste. Zwei Morde sogar beging der Magister Johann Georg Tinius, ein manischer Bibliomane, der eine Bibliothek von 60.000 Bänden besessen haben soll. Die Morde soll er begangen haben um seine Bücherwünsche trotz Geldnot befriedigen zu können. Tinius war allerdings Pfarrer, also Angehöriger eines noch zweifelhafteren Berufsstandes als ihn die Bibliothekare darstellen.[Fn2] Den Bibliothekar eint mit dem Pfarrer, dass sie ihren historischen Zenit hinter sich haben. Der bibliothekarische Berufsstand wandelt sich im Gegensatz zu jenem des Pastors allerdings ständig. Der Pastor ist was er ist. Unverrückbar und trutzig hütet er ein Erbe von dem Niemand weiß, worin es besteht (vgl. Glaube vs. Wissen). Die Bibliothekare indes verwalteten früher einmal das Wissen (glauben sie) und folgen heute brav der Bibliothekspolitik unserer pseudodemokratischen Politiker (wissen wir). Sie suchen sich neue Arbeitsfelder allen Trends treu folgend wie ein trocken Gräslein dem Winde. Manche werden schweigende Lämmer (vgl. Schlachtbank). Die meisten werden Sozialarbeiter. Dritte, und das sind die schlimmsten, werden Internetspezialisten. aus: Libreas. Library Ideas.
    Der ganze Artikel

Das K.O.-Prinzip

Konzernfiliale Büchereien
Vom hoheitlichen Amtsdeutsch zum Managerjargon.

Aus dem KIV-MAGAZIN
Seit die Stadt Wien vor fast zehn Jahren dank magistratsdirektoralem Erlass zum Konzern mutiert ist, wird auch zusehends Konzernpolitik betrieben im Wiener Magistrat.

Mit der Einführung des neoliberalen Instruments "New Public Management" ändert sich die Sprache ebenfalls - weg vom hoheitlichen Amtsdeutsch, hin zum Managerjargon. So auch in den Büchereien.

Verwaltung des Mangels


Wurde früher von hierarchischen Entscheidungsprozessen gesprochen, so sind es jetzt "Top-Down"-Abläufe mit begleitenden und der Indoktrinierung widerspenstiger MitarbeiterInnen dienenden Workshopping-Tours. Die Hierarchieebenen werden zu "Kompetenzebenen", die sich an "Leitbildern" (im sakralen Ton gehaltene und damit banalisierte Anhäufung von Selbstverständlichkeiten) orientieren.

Die Verantwortlichkeiten werden z.T. nach unten verlagert, was in der Regel ein Abschieben der Verwaltung des Mangels, vor allem des Personalmangels, bedeutet, ohne die Möglichkeit für die nunmehr "Verantwortlichen", an den Rahmenbedingungen auch mitzuwirken ...

"Kundenorientierungs"-Prinzip


Die BenutzerInnen der Bücherei-Einrichtungen werden zu "KundInnen". Die Betreuung und Beratung dieser "KundInnen" wird zum "Ressourcenfraß" im "Frontoffice". Daher müssen Selbstverbuchungs-Geräte her und Hilfskräfte mit prekären Arbeitsverträgen - nicht zusätzlich, um dem enormen Anstieg der Bücherei-BenutzerInnen besser gerecht zu werden, sondern an die Stelle von fest angestellten BibliothekarInnen.

Auch der Medieneinkauf kostet Zeit, deswegen wird er tendenziell "outgesourct" und die Titelvielfalt wird reduziert. Damit ist genügend Potential vorhanden, um im Sinne des "K.O."-Prinzips, des "Kundenorientierungs"-Prinzips, die Öffnungszeiten trotz verringertem Personalstand zu verlängern und so "konkurrenzfähig" zu bleiben.

Welche Konkurrenz?


Nach dem Motto des "Leitbildes" wären die Büchereien ein "wichtiges Korrektiv" gegen die Ungleichheit zwischen 'Information Rich' und 'Information Poor'. Sie sehen demnach ihre Aufgabe darin, Beihilfe zur Emanzipation von benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu leisten. Hierbei ist von Konkurrenz wenig zu merken.

Doch durch die Schließung der Lehrlingsbüchereien und der Spitalsbüchereien zeigte sich erstmals, dass der Weg für die Büchereien in eine andere Richtung geht: weg von ihrer emanzipativen Aufgabe, hin zur neuen Funktion als HelfershelferIn einer affirmativen Eventkultur, in der für Individuen außerhalb des Mainstreams zusehends weniger Platz ist.

Eine Funktion, in der es wesentlich ist, dass auch in steigendem Maße Einnahmen von den "KundInnen" lukriert werden - und dies als Wert an sich gilt. In welcher der Beratungsaufwand durch vermindertes Personal tendenziell in die Richtung Saturn/Mediamarkt etc. zu gehen droht.

In diesem Sinne gibt es allerdings einen Konkurrenzkampf, der von den Büchereien aber nicht zu gewinnen ist.

Negative Vorreiterrolle

Die Hauptbücherei, so sehr ihre architektonische Erscheinung beeindruckt, hat in dieser Hinsicht eine negative Vorreiterrolle für die anderen größeren Zweigstellen:

* Zerstückelung der Büchereifunktionen,
* abgehetztes Personal,
* lange Warteschlangen für die "Kunden",
* katastrophales Raumklima,
* mangelhafte Ergonomie der Arbeitsplätze
* und zahlreiche andere Probleme, von denen die Abwehr des Einsickerns der Drogenszene nicht das geringste ist.

Optimierung oder Demotivierung

Doch nach dem K.O.-Prinzip wird derzeit daran gedacht, die Öffnungszeit am Samstag zu verlängern, ohne dass das Personal auch entsprechend aufgestockt wird. Also noch mehr Hetze, Überstunden und Fließbandbetrieb. Das nennt sich dann Optimierung. Oder Demotivierung. Jedenfalls "K.O." in der Konzernfiliale Büchereien.