Diefenbach-Interview

Im Falter 38/06 schafft es Katja Diefenbach in wenigen Sätzen nicht nur die 68er-Aporie zu benennen, sondern auch die leidigen Hoffnungen der Postoperaiisten als teleologische zu kennzeichnen. Das Interview hat Robert Misik geführt. Am 28. September führen er und Katja Diefenbach ein Gespräch im Kreisky-Forum .

Falter: Kann man heute noch politisch aktiv sein? Die Rebellenpose ist doch nur mehr Zitat, noch dazu ein kommerzialisiertes. Gibt es einen Ausweg aus der Peinlichkeit?

Diefenbach: Peinlichkeit ist eigentlich eine interessante Geste; und ich frage mich, ob es überhaupt möglich ist, politisch zu sein, ohne peinlich zu werden. Gegenüber der Normalisierung und der Katastrophe, dass alles so weitergeht, ist die Geste des Politischen an sich störend und deplatzierend. Genau deshalb ist der souveräne Zyniker ein herrschendes role model Er verkörpert ein Subjekt, das noch über die Ungerechtigkeiten kapitalistischer Vergesellschaftung im Bilde ist, den Glauben an grundsätzliche Veränderungen aber für idealistisch, lächerlich oder terroristisch hält und stattdessen lieber den Kapitalismus in seiner freisetzenden Bewegung affirmiert. Denn der Kapitalismus ist für ihn der große Möglichmacher, ein System schöpferischer Zerstörung, in dem sogar abweichende Lebensformen und subkulturelle Praktiken, wenn sie sich verwerten lassen, zugelassen und verstärkt werden können.

Falter: Das zeigt aber immerhin, dass die Abweichung, die Dissidenz und das fröhliche Dagegensein gar nicht so subversiv sind. Damit kann der Kapitalismus prima leben.

Diefenbach: Natürlich, der Kapitalismus und bio-politische Regierungsstrategien antizipieren Widerstandsformen und versuchen, sie produktiv zu machen. Von daher rührt die Kritik politischer Theoretiker wie Slavoj Zizek oder Alain Badiou, dass die leere Universalität des Kapitals mit partikularer Identität jedwelcher Art ausgezeichnet koexistiert: Identität verspricht Halt und imaginäre Gemeinschaftlichkeit in der Geschwindigkeit abstrakter Verwertung; Identitäten vermehren die Konsumtionsmöglichkeiten etc. Zizek und Badiou verwechseln allerdings minoritäre Politik mit ihrem Scheitern. Die minoritären Revolten der Sechziger- und Siebzigerjahre waren ein politisches Ereignis. Sie haben mit der autoritären Linie in der Linken gebrochen, mit dem Kaderprinzip, dem Leninismus, der Reduzierung des Politischen auf Strategie- und Taktikdenken. Das Politische kann seit- dem an jedem Ort und in jedes Verhältnis intervenieren. Es erfordert die Praxis von vielen.

Falter: Die Kritik von Zizek oder Badiou, die Sie anführen, muss deswegen aber doch nicht ganz falsch sein.

Diefenbach: Die These, dass kapitalistische Verwertung und Identitätspolitik sich gegenseitig stabilisieren, halte ich nicht für falsch, im Gegenteil, nur die politische Konsequenz. Was folgert man daraus, dass die minoritären Kämpfe einen enormen Schub sozialer, politischer und sexueller Differenzierung bewirkt haben, ohne zu grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen wie sozialistischer Selbstverwaltung geführt zu haben? Was bedeutet es, dass die minoritären Kämpfe in diesem Sinne erfolgreich gescheitert" sind? Man muss nach den gefährlichen Übergängen zwischen minoritären Praktiken, kapitalistischen Reintegrationen und der Kommerzialisierung dissidenter Lebensformen suchen. Aber auch wenn Kämpfe scheitern, sind sie nicht verloren. Unvergessen ist, wovon minoritäre Praktiken sich abgewandt haben, vom soldatischen, moralischen und disziplinatorischen Erbe linker Politik.

Falter: Ist das nicht sehr rosarot gedacht? Man erzählt etwas, was man auch als Geschichte des Scheiterns erzählen kann, eben als Geschichte des Erfolges.

Diefenbach: Jeder politische Kampf steht in der Ge- fahr zu scheitern, sei es durch Integration, durch Repression oder durch Zer- "Viele Akteure der 68er- Revolten haben sich integriert. Was heißt das?' fall. Das soll nicht das Scheitern ver- harmlosen, sondern das Denken von Sieg und Niederlage beenden. Viele Akteure der 68er-Revolten haben sich integriert, die autonomen Bewegungen haben sich in den Achtzigerjahren in subkultureller Kleingruppenmilitanz selbst blockiert. Aber was heißt das? Ein Theoretiker wie Antonio Negri geht zum Beispiel davon aus, dass der Übergang in den Postfordismus mit einer derart selbstorganisierten Subjektivierungsform einhergegangen ist, dass der Sprung in ein kommunistisches Projekt potenziell kurz bevorsteht. Das impliziert viele optimistische Voran- nahmen - von den Kämpfen als Motor der Geschichte, vom Kapitalismus, der den Keim seiner Überwindung in sich trägt, bis hin zur Vorstellung vom be- freienden Tätigkeitsvermögen der Menge. Eine gefährliche Form, über den "Erfolg" der Kämpfe zu sprechen.

Falter: Auch wenn man sich darauf einigt, dass der Kapitalismus durch Kämpfe, Widerspruch, was weiß ich, verändert wurde - nicht alle wären so überzeugt, dass er zu seinem Vorteil verändert wurde.

Diefenbach: Genau. Ich werde den Eindruck nicht los, dass zwei antikapitalistische Erzählweisen mit ihren je eigenen Reduktionismen im Umlauf sind. Die eine geht davon aus, dass sich im Über- gang zum Postfordismus das Kampfniveau erhöht hat, weil die gesellschaftliche Regulation in einem solchen Aus- maß auf der biopolitischen Selbstregierung der Leute beruht, dass diese ganz bald auf die Idee kommen könnten, den Kapitalismus abzuschütteln. Auf der anderen Seite gibt es den romantischen Antikapitalismus, der Verlust, Entfremdung, Verfall diagnostiziert.

Falter: Welche politischen Praktiken haben denn heute das Zeug dazu, erfolg- reich zu scheitern?

Diefenbach: Ich rede nicht dem erfolgreichen Scheitern das Wort, sondern der Potenzialität von Erfahrungen und einer gewissen Möglichkeit, mit ihnen etwas anzufangen. In den letzten Jahren sind einige interessante politische Aktions- formen entstanden. Ich denke an das Auftauchen der Zapatisten in Mexiko, die eine Guerilla ohne Militarismus erfunden haben, an demokratisierte Militanzvorstellungen, mit denen vom Pathos der spontanen Aktion und der vereinzelten Eskalation abgerückt wurde, an die Vorstellung, dass das Politische ein asubjektives Gefüge ist, von "In den letzten Jahren sind einige interessante Aktionsformen entstanden" dem aus an vielen Stellen interveniert wird, und auch an die Vorstellung, dass politischer Aktivismus mit Vorsicht zu genießen ist, weil er die Gefahr in sich birgt, sich mit dem zu verwechseln, was im Eifer und Weitermachautomatismus von wenigen endet.

Magistratisches Qualitätsmanagement

Von 100 Standorten nehme man die 50 Besten, ermittle den Median dieser 50, rechne diesen hoch auf alle Standorte und erhält dadurch ein Personalersparnispotential von 13%. Damit hat die Innenkontrolle ihre Aufgabe erfüllt. Nun ist der Controller der Abteilung am Zug. Er macht die sogenannte qualitative Analyse und rechnet anhand von Durchschnittswerten den Personalbedarf aus. Dieser ist höher als der von der Innenkontrolle ermittelte aber weniger als der aktuelle Personalstand. Dann wird zwischen Dienststelle und Personalaufsicht verhandelt und es gibt eine Einigung auf einen Personalreduktionswert, welcher in etwa in der Mitte zwischen dem von der Innenkontrolle und dem des Controllers liegt. Also 7 % Personalreduktion und alle freuen sich: Die Innenkontrolle, weil sie es geschafft hat, durch eine einfache und beliebige Rechnung das Budget zu entlasten. Der Controller, der den untersuchten Betrieb jetzt genau kennt und von allen geliebt wird. Von der Innenkontrolle, weil er sie ernst genommen hat und vom Chef der Abteilung, weil er wenigstens einige Posten gerettet hat. Und der Chef der Abteilung freut sich eben wegen dieser Posten, die im Nachhinein wie ein Postenzuwachs aussehen.
Qualitätsmäßig.

Open Space für FunktionärInnen

            you may leave here for 4 days in space
            but when you return, it's the same old place

            P. F. Sloan ("Eve of Destruction")

Der geschäftsführende Vorsitzende der Gemeindebedienstetengewerkschaft hat zur "Open Space Konferenz" zur ÖGB-Reform gerufen:
    "Bei dieser Konferenz sollen PersonalvertreterInnen und BetriebsrätInnen die Möglichkeit haben, Ideen für einen neu zu gestaltenden ÖGB einzubringen und zu diskutieren." Diskussion in zehn Arbeitsgruppen: je 2x Kommunikation, Organisation, Zielgruppen, Partizipation und Glaubwürdigkeit.
Und 250 FunktionärInnen sind gekommen worden.
1. Aufgabe
"Schreibt zu unserem Gruppenthema auf einem Kärtchen alles auf, was ihr als schlecht empfindet, was euch unangenehm aufstößt. Es können auch 2 Kärtchen sein. Aber immer nur 1 Punkt pro Kärtchen." Auf Nachfragen: "ja, es können auch 3 Kärtchen sein, wenn du so viel zu kritisieren hast."
Die Kärtchen werden geschrieben und auf einer Tafel angebracht.
Dann werden sie eingesammelt. "Keine Angst, die verschwinden nicht, das fließt dann alles in den Prozess ein".

2. Aufgabe
5 Blätter mit verschiedenen Themen werden auf dem Boden ausgelegt. Die TeilnehmerInnen sollen sich gleichmäßig zu den Blättern verteilen.
JedeR für sich soll Lösungen für die Themen/Problemstellungen formulieren, die Machbarkeit angeben sowie die Hilfestellung, die von oben dafür eingefordert wird.
Hernach sollen die Ergebnisse auf 1 Plakat pro Themengruppe formuliert werden.

3. Aufgabe
Frankfurter oder Chilieintopf?

4. Aufgabe
Ein als Impulsreferat etikettiertes launiges Geplauder des geschäftsführenden Präsidenten des Gewerkschaftsbundes, der sich freut wieder heimatlichen Boden zu spüren, ist zu lauschen. Etliche FSG-Personalvertreter aus den Bundesländern versäumen diesen Impuls, weil sie durch eine Abstimmung mit den Füßen ihrer Zufriedenheit mit dem Reformprozess Ausdruck verleihen und einen Infrastrukturcheck der Bundeshauptstadt durchführen.

5. Aufgabe
Nachdem zu erfahren gewesen ist, dass es Rudi Hundstorfer nicht mehr möglich ist, unerkannt einen privaten Restaurantbesuch zu machen und die Gewerkschaft allen Unkenrufen zum Trotz nicht in Konkurs gehen wird, sind Fragen zu stellen, damit wir alle sehen, dass die Gewerkschaft den kritischen Diskurs pflegt. Egal was gefragt oder kritisiert wird, die Antwort lautet in etwa immer so:
    Die volle Leistungsfähigkeit der Gewerkschaft besteht, Kollektivverträge werden abgeschlossen und Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit durchgeführt. Die Bawag, ich sage es euch offen und ehrlich, weil der Verkaufsprozess ist eingeleitet und der ÖGB zieht vorerst ins alte Postgebäude um...
6. Aufgabe
Die Unterarbeitsgruppen des Vormittags vereinigen sich in den 5 Themengruppen. Für jede Gruppe werden die mit bunten Pickerln auserkorenen mehrheitsfähigen Themen auf 1 Plakat vereinigt.

7. Aufgabe
Für jedes der Hauptthemen gibt es 1 Plakat. Dieses wird von 2 Gruppenmitgliedern vorgestellt. Es wird beteuert, dass alle sonstigen Plakate gesammelt, ausgewertet, an die TeilnehmerInnen verschickt werden und nichts verloren geht. Die Ergebnisse werden an die 5 zentralen Projekte des ÖGB-Reformprozesses geschickt und es wird ernsthaft sich damit auseinandergsetzt, so wie mit der Mitgliederbefragung auch und es wird nichts verloren gehen. Ah, das hatten wir schon.
Nach sorgfältige Prüfung der Kleidung entfernen sich die TeilnehmerInnen aus der Veranstaltung und entfernen die noch offenen Space-Flecken.

Man wird ja noch fragen dürfen

    Wieder steht eine "KundenBenutzerInnen-Zufriedenheitsbefragung" einigen Büchereien ins Haus. Und wieder hat diese, wie die vorhergehenden nicht die Eruierung der Qualität des Angebot und des Services im Blickfeld, sowie die Möglichkeit für UserInnen ihre Wünsche an die Institution zu deponieren, sondern die argumentative Unterfütterung von bereits geplanten Maßnahmen, die aber derzeit noch nicht offen gelegt werden. Soweit aber absehbar, wird es sich um eine Ausweitung der Öffnungszeiten der einen Gruppe von Büchereien handeln und um eine radikale Reduzierung in Richtung Null-Öffnungszeiten von anderen Büchereien, also Schließung. Inklusive Personalreduzierung natürlich.
    Und natürlich gibt es als zusätzliches Kontroll- und Steuerungsisntrument eine "Spiegelbefragung" der Bediensteten - ob sie auch ja verstehen, was die Abteilungsleitung aus den Antworten herauszulesen wünschen.

    Eine Gelegenheit, sich an die letzte Befragung (pdf, 32 KB)zu erinnern, die vor knapp 2 Jahren stattgefunden hat. Da von einigen Bediensteten ein Teil der BenutzerInnenantworten vor der Auswertung durch die Firma kopiert werden konnte, war es möglich, den manipulativen Methoden und gezinkten Auswertungen auf die Spur zu kommen.
    Dazu passt auch noch ein Entwurf zur Einschätzung der damals stattfindenden "buechereienevaluierung (pdf, 27 KB)". Ist auch schon 2 Jahre alt, aber immer noch nicht ganz falsch.

Bibliothekar - Genichtetes Nichts

Der Bibliothekar – ein Beruf im Zustand des Genichteten Nichts.
    Eine ontologische Feldforschung auf den Spuren Heideggers.
    (Sonderdruck aus: Blätter zur Berufskunde N.F.: Berufe, die auf den Hund gekommen sind; 3)
    von Rainer Strzolka
    Historischer Abriss und theoretische Grundlegung

    Früher waren Bibliothekare Kardinäle oder wenigstens freie konventionslose Feingeister, die für den Besitz eines Buches auch mal einen Mord begingen, wenn es unbedingt sein musste. Zwei Morde sogar beging der Magister Johann Georg Tinius, ein manischer Bibliomane, der eine Bibliothek von 60.000 Bänden besessen haben soll. Die Morde soll er begangen haben um seine Bücherwünsche trotz Geldnot befriedigen zu können. Tinius war allerdings Pfarrer, also Angehöriger eines noch zweifelhafteren Berufsstandes als ihn die Bibliothekare darstellen.[Fn2] Den Bibliothekar eint mit dem Pfarrer, dass sie ihren historischen Zenit hinter sich haben. Der bibliothekarische Berufsstand wandelt sich im Gegensatz zu jenem des Pastors allerdings ständig. Der Pastor ist was er ist. Unverrückbar und trutzig hütet er ein Erbe von dem Niemand weiß, worin es besteht (vgl. Glaube vs. Wissen). Die Bibliothekare indes verwalteten früher einmal das Wissen (glauben sie) und folgen heute brav der Bibliothekspolitik unserer pseudodemokratischen Politiker (wissen wir). Sie suchen sich neue Arbeitsfelder allen Trends treu folgend wie ein trocken Gräslein dem Winde. Manche werden schweigende Lämmer (vgl. Schlachtbank). Die meisten werden Sozialarbeiter. Dritte, und das sind die schlimmsten, werden Internetspezialisten. aus: Libreas. Library Ideas.
    Der ganze Artikel

"Aus Sicherheitsgründen"

gibt es jetzt ein Bußgeld für String-Tanga und Oben-ohne-Baden am "Paris Plage"
    Die Stadt sei "aus Sicherheitsgründen" zu einer Regelung gezwungen, zitierte das Le Parisien den zuständigen stellvertretenden Bürgermeister Pascal Cherki.
    Das freizügige Outfit an dem Strand hätte "zu Versuchungen und gefährlichem Verhalten führen können, besonders, weil wir uns am Ufer eines Flusses befinden", sagte der Rathaus-Vertreter, ohne die Äußerung weiter zu erläutern. (ORF)
Wäre es "aus Sicherheitsgründen" verordnete Nacktheit (keine versteckten Waffen) angebrachter?
Die Auswirkungen von Flüssen hinsichtlich Versuchungen (Loreley?) und gefährlichem Verhalten (Sirenen?) wären auch noch näher zu untersuchen.

Brünstige Flussschiffer stürmen die Pariser Strände wäre eine Schlagzeile, vor dem es Herrn Pascal Cherki möglicherweise graut.

Heute ist Sysadmin-Tag

wie jeden letzten Freitag im Juli, so auch heute - Gelegenheit, den Sysadmins, die oft ein solches Bild abgeben müssen, zu danken!
Siehe auch

Raumgeruch

    Der ganze Raum roch nach ranzig gewordenem Intellekt
gefundn in Ian Rankin, Die Sünden der Väter

Hot-Spots

  • Während die MitarbeiterInnen der Bücherei Philadelphiabrücke bei 34°, riesigen aufgeheizten Glaswänden, stehender Luft, täglich fast am Kollabieren sind, wird der Veranstaltungssaal, obwohl in den Sommermonaten unbenutzt, ohne Fenster oder sonstiger Sonneneinstrahlung ausgesetzt, Tag und Nacht auf herrliche 20° Grad klimatisiert.
  • Klimatisiert wird auch der Serverraum der Wiener Büchereien. Dort ist heute aber leider die Klimaanlage ausgefallen. Daher kriegen die Server hitzefrei.
  • In den Zweigstellen der Büchereien können zum Glück keine Klimaanlagen ausfallen. Daher müssen die MitarbeiterInnen auch nicht heruntergefahren und erst wenn die Anlage funktioniert, wieder in Betrieb genommen werden

Privatisierung der Sicherheit

    "Zynisch betrachtet, könnte man sich fragen, ob es nicht gewollt war, eine schwache Polizei zu schaffen, damit Korruption und andere Politskandale unter dem Teppich bleiben. Deshalb entfernt man auch gern die Intelligenzen. Wer sicher sein will, muss sich künftig selbst drum kümmern. Es ist wie bei Gesundheit und Bildung. Willst du Besseres, musst du dafür zahlen, im Privatspital oder in der Eliteuni. Das ist eine schlechte Entwicklung, die nur mit dem Neoliberalismus zu erklären ist, aber nicht gerechtfertig ist, wenn man an die sozialen Errungenschaften in der Zweiten Republik denkt."
meint der frühere Spitzenpolizist Max Edelbacher auf dem Weg in den Ruhestand.

Freie Indios sind auch kluge Indios ...

Und klüger als selbst A. von Humboldt es verstehen kann :-))
    Der Unterschied zwischen freien Indios – also solchen, die es teils durch Glück, teils durch kriegerisches Gebaren geschafft hatten, sich die Mönche vom Halse zu halten – und jenen, die gezwungen waren, in den Missionen zu leben, fiel Humboldt besonders ins Auge:
      Ich war gerade auf einer Insel des Chinchipe ..., als die freien Indios kamen... Diese sind die fröhlichsten freien Indios, die ich jemals gesehen habe. Sie haben lebhafte Gesichtszüge, die sehr große Lebhaftigkeit ihres Charakters anzeigen... Welche Lebhaftigkeit, welche Wissbegierde, welches Gedächtnis, welch leidenschaftlicher Drang, die spanische Sprache lernen zu wollen und sich in ihrer eigenen verständlich zu machen!.
    Allerdings befremdete Humboldt gerade bei diesen freien Indios die erstaunliche Begabung zum Nichtstun:
      Die gleichen Leute, bei denen wir einen so großen geistigen Adel, so viel intellektuelle Fähigkeiten sehen, sind die gleichgültigsten und faulsten, was die Arbeit anbetrifft. Sie liegen Tag und Nacht herum, wenn die Jagd oder der Feind sie nicht zum Aufbruch zwingen... Und dieselben Leute, die eines so großen Kraftaufwands fähig sind, bleiben zwei bis drei Monate in der Hängematte liegen, wobei sie Bananen ..., welche sie am Feuer rösten, mit den Zehen umwenden und sie auf die gleiche Weise zum Nunde führen, um nicht die Hände zu gebrauchen und sich aus der Hängematte erheben zu müssen. (nach Otto Krätz, Alexander von Humboldt)
Es lebe Lafargue und das „Recht auf Faulheit“:
      Eine seltsame Sucht beherrscht die Arbeiterklasse aller Länder, in denen die kapitalistische Zivilisation herrscht. Diese Sucht, die Einzel- und Massenelend zur Folge hat, quält die traurige Menschheit seit zwei Jahrhunderten. Diese Sucht ist die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung der Individuen und ihrer Nachkommenschaft gehende Arbeitssucht. Statt gegen diese geistige Verirrung anzukämpfen, haben die Priester, die Ökonomen und die Moralisten die Arbeit heiliggesprochen.
Und in einer Fußnote:
      Oft sind die europäischen Forscher ganz betroffen von der körperlichen Schönheit und der stolzen Haltung der Angehörigen primitiver Völkerschaften, welche noch nicht von dem 'vergifteten Hauch der Zivilisation', um mit Pöppig zu reden, befleckt sind.
Was für schöne Texte für den Urlaub :-)
dazu passt auch aus der "Deutschen Ideologie" :
      während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.(Im Feuerbachkapitel, S.33)

Idol mit Kopf

    Ich würde Zidanes Kopfstoß nicht als unrühmliches Ende einer ruhmvollen Karriere sehen, oder als unerklärlichen Aussetzer. Meine Legende ist eine andere: Er wollte sterblich bleiben, das heißt im Widerspruch. Das Schicksal, ein allseits gefeiertes Idol zu sein, konnte er noch im letzten Moment ausbremsen. Mit seinem archaiischen Stoß gegen die Brust eines gegnerischen Spielers bleibt er auf ewig in zwiespältiger Erinnerung. Nixda mit dem Nationalhelden des französischen Fussballs, es wird immer welche geben, die gegen ihn sind, weil er wahrscheinlich die WM für Frankreich vergeigt hat, nachdem er das Team erst so weit gebracht hat.
    Irgendwie erinnert er mich an Colin in der "Einsamkeit des Langstreckenläufers":
      "...Eine Zeile glucksbäuchiger Glotzaugen strahlten mich an, und eine Reihe Goldfischmäuler öffneten sich und winkten mir mit Goldzähnen, so daß ich ihnen die Antwort gab, die sie hören wollten, denn mein Trumpf-As wollte ich mir noch aufheben...."
    Bekanntlich blieb der führende Colin dann knapp vor dem Ziel stehen und wartete, bis der nächste Läufer an ihm vorbei lief.

    Die Erzählung wurde 1959 veröffentlicht, der Film von Tony Richardson erschien 1962 (1966, also vor genau 40 Jahren in Deutschland). Wieder dieses ominöse Jahr 1962 (Marcuses "Der eindimensionale Mensch", Foucaults "Wahnsinn und Gesellschaft", Kuhn, "Struktur wissenschaftlicher Revolutionen"...)

    Zidane also in guter Gesellschaft.
    Soweit meine Legende :-)