Unmissverständliche Logiken

Bekanntlich leben auch BibliothekarInnen nicht nur von Luft und Lektüre. Daher ist es für sie nicht uninteressant, was die Gewerkschaft gehaltsmäßig aushandelt.
Versehen mit einer ungesunden Sozialsensibilität ist es den meisten von ihnen auch nicht egal, wie die Gewerkschaft vorgeht und welche Ziele sie verfolgt.
Zu dem wie gehört außer der Höhe der Gehaltsforderungen auch die besondere Beachtung niedriger Einkommen, wenn es gilt, die hohe Inflation der letzten Monate abzugelten.
Und die innergewerkschaftliche Kommunikation.
Wie aus einer Rundmail an die Bediensteten der Wiener Büchereien zu entnehmen ist, hat die Gewerkschaft gleich gar keine Forderungen aufgestellt, sondern wartet auf Angebote der Dienstgeber in Prozentbeträgen, welche natürlich Bezieher [ja, vor allem -er und weniger -innen] höherer Einkommen bevorzugt.
Innergewerkschaftlich spielt sich im übrigen gar nichts ab und klar ist nur, wer ganz sicher nicht begünstigt werden kann: diejenigen, die am wenigsten verdienen.
Im Fall der Büchereien ist es das Reinigungspersonal [natürlich vorwiegend Frauen mit oft tragischen Lebensläufen, viele von ihnen durch die Jugoslawienkriege nach Wien geschwemmt], über dessen miese Situation und über den zynischen Umgang damit in "Schmutzige Geschichte" nachgelesen werden kann.

Liebe KollegInnen,
die untenstehende Mail vom Leitenden Rerenten der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten über den Abbruch der aktuellen Gehaltsrunde im Öffentlichen Dienst ist eingelangt. Wenn ich es recht verstanden habe, will uns die GdG folgendes sagen:

Da die Bundesregierung nicht gewillt ist, ein Angebot über die Gehaltserhöhung für 2009 zu machen, scheint die Gewerkschaft gefleht zu haben, doch bitte bitte wenigstens die Abgeltung der nominellen Inflationsrate (die reale ist mit 3,45% sowieso bei weitem nicht erreicht) zuzusichern.
Auch diese Selbstverständlichkeit wurde nicht gewährt.

Also wird die Gewerkschaft unmissverständlich: sie fordert diese Bundesregierung, die ihr gerade gesagt hat, sie möge sich brausen gehen, auf, ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Und was dann? Werden gewerkschaftliche Maßnahmen in Aussicht gestellt?

Wie wäre es, mal damit anzufangen, dass die Gewerkschaft unmissverständlich eigene Forderungen stellt? Und zwar keine Prozentforderungen, welche gerade in Zeiten der Inflation die kleineren EinkommensbezieherInnen extrem benachteiligt, sondern beispielsweise 200 Euro für alle.
Da werden die Senats-, Obermagistrats- und Hofräte vielleicht keine Teuerungsabgeltung verspüren, alle anderen aber schon.
Bei Prozenterhöhungen ist es bekanntlich eher umgekehrt.

Das tut unsere Gewerkschaft aber nicht - unmissverständlich.
Sie nimmt dafür hin - wie im letzten Hauptausschuss  diskutiert -, dass die zu putzende Quadratmeteranzahl/pro Stunde für das Reinigungspersonal mit Jänner wieder erhöht wird. Denn damit wäre angeblich für 5 Jahre der Reinigungsbereich vor einer Privatisierung geschützt.
Aus diesem Grund ist auch die Gewerkschaft, sprich FSG, gegen eine Gehaltserhöhung von 200 € für alle. Denn dann würde sofort wieder - trotz Erhöhung der Quadratmeteranzahl - eine Ausgliederung des Reinigungsbereich seitens des Dienstgebers (SPÖ) im Raum stehen.

Eine beeindruckende Logik:
Weil die unteren Einkommen bei der Stadt Wien nicht zu "hoch" werden dürfen, weil der Bereich dann der Privatwirtschaft zum Fraß vorgeworfen wird, tritt die Gewerkschaft (=FSG) gegen eine sozial gerechtere Fix-Betragserhöhung für alle auf. Zu Freuden der Ober-Räte. Und auch der Gewerkschaftsbosse, die ja zumeist recht hoch eingestuft sind in der Gehaltshierarchie.

Wer solche Interessensvertreter hat, braucht wohl keine Gegner mehr.


3. Gehaltsrunde im öffentlichen Dienst ergebnislos unterbrochen

Bundesregierung bietet nicht einmal die Abgeltung der Inflation an!

Auch die 3. Verhandlungsrunde zur Erhöhung der Bezüge ab 2009 wurde am 17. November 2008 zwischen Vertretern der Bundesregierung, Staatssekretär Mag. Andreas Schieder, Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka und dem Verhandlungsteam der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG) und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) ergebnislos unterbrochen.

Die Vertreter der Bundesregierung waren nicht imstande, den Gewerkschaften der öffentlichen Dienste ein Angebot zur Gehaltserhöhung zu unterbreiten und waren auch nicht bereit, die Abgeltung der Inflationsrate von 3,45 Prozent zuzusagen.

Für die GdG ist als Ausgangslage die Außerstreitstellung einer Abgeltung der Inflation für den weiteren Verhandlungsverlauf unabdingbar.

Die GdG fordert die Bundesregierung unmissverständlich auf, sich ihrer Verpflichtung gegenüber den ArbeitnehmerInnen bewusst zu werden und ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen.






Andachtsvoll transportierte Trauer

Wie Der Standard berichtet, haben BZÖ und ÖVP im Landtag eine Resolution beschlossen, welche sich gegen die angebliche "Anti-Kärnten-Berichterstattung" des ORF richtet und gefordert, dass "geschmacklose Auftritte" untersagt würden. Womit allerdings nicht jene der lokalen Politiker im Kärntner Landesstudie des ORF gemeint sind, sondern die von zwei Kabarettisten. Verlangt wird unter anderem auch,
"dem Kärntner Volk ein Recht auf seine Tradition, seine Kultur und seine Sitten zu geben".



Ausdrücklich ausgenommen von der Kritik wird der ORF Kärnten. Dieser habe "die Trauer in Kärnten mitgetragen und sehr andachtsvoll transportiert".



Daher wird auch gleich gefordert, "dafür Sorge zu tragen, das ORF Landesstudio Kärnten mitsamt seiner Mitarbeiter in vollem Umfang zu erhalten".





Küssen als negative Vorbildwirkung

Kussverbot in Gunskirchner Hauptschule

In einem Elternbrief verbietet es der Direktor der Hauptschule Gunskirchen, dass sich Schüler küssen. Solche Rituale gingen in einen Intimbereich, der mit der Schule nichts zu tun habe, so die Begründung des Schulforums. [...]
Negative Vorbildwirkung
In Gunskirchen will man sich (...) nicht dem Vorwurf aussetzen, nichts unternommen zu haben, sollte es irgendwann einmal zu einem ernsteren Vorfall kommen.

Schließlich aber gehe es auch um die negative Vorbildwirkung für die noch nicht pubertierenden Kinder der unteren Klassen.

Zu unserer Zeit hats so Negativeleien, um nicht zu sagen, Schweinereien, in den Schulen nicht gegeben. "Weiber" wurden von den Jungs ignoriert oder angerempelt. Und das wars schon. Wer nett zu denen war, wurde als Weichling erkannt. Und es gab auch nie nix irgendeinen ernsten Vorfall, damals in den Goldenen Zeiten der Zucht mit Minderjährigen, wird sich die Direktion der Gunskirchner Hauptschule wohl gedacht haben.






"Put your money where your mouth is"


schreibt ein anonymer Spender auf der Online-Spendenliste von Wikimedia.
Anlass zur Spende war für ihn wie für viele andere die von Lutz Heilmann veranlasste Sperre von Wikipedia.de.
In einem Kommentar im zoomer.de wird dem Rechtsreferentar aus Lübeck dafür zu Recht gedankt:


15.11.2008 21:02 Uhr
59097
bedankt

Ich möchte mich in aller Form bei Lutz Heilmann bedanken. Er hat es geschafft, dass Wikipedia wieder in aller Munde ist.

Ganz besonders aber bedanken wir uns für die finanzielle Unterstützung die uns Herr Heilmann verschaffen hat. Mit Bezug auf
seine Aktion wurden heute alleine über 6.000 Euro gespendet.

https://secure.wikimedia.de/spenden/list.php

Vielen Dank und weiter so. Wir sammeln noch weiter Spenden. einer von wikipedia


Archivalia  hat eine Linkliste zu Einträgen zum Thema in der Blogosphäre erstellt.

Das Bild stammt übrigens von der Website "Die Linke. Kreisverband Steinburg", wo Herr Heilmann ziemlich präsent ist.



Ruth Klüger als "bookmobile lady"

Als diesjähriges Gratisbuch der Stadt Wien wird Ruth Klüger "weiter leben. Eine Jugend" verteilt.
In diesen Tagen ist aber auch "unterwegs verloren. Erinnerungen" über das Leben der aus Wien stammenden Autorin und Germanistin in den USA erschienen.
Darin erinnert sie sich durchaus positiv, wenn auch als anstrengenden Job an ihre Zeit als Bücherbus-Bibliothekarin (danke an M.F. für den Hinweis!)

Wir waren nach Berkeley zurückgekehrt, Tom war Assistenz-Professor, also wieder ohne festen Vertrag, aber mit Aussicht auf einen solchen. Ich absolvierte innerhalb eines Jahres den Magister in Bibliothekswissenschaft und fand eine Arbeit, die schön war und an die ich mit Vergnügen zurückdenke: Ich war fahrende Bibliothekarin in einem sogenannten Bookmobile, einem Bus, der mit Büchern in der Gegend herumfährt und Kindern und Hausfrauen Lesematerial empfiehlt und aushändigt. Diese Ausbildung garantierte mir auch ein Maß an Selbständigkeit, […]

Nach der Scheidung war ich immer noch die „bookmobile lady“, jetzt aber ganztägig. Mein kleiner Sohn Danny war stolz auf mich, wenn der Bus bei seiner Schule hielt, weil seine Freunde mich um Rat fragten, welches Abenteuerbuch sie ausleihen sollten.

In den Vororten empfahl ich den Hausfrauen Romane unterschiedlicher Qualität, doch meist waren es Beziehungsgeschichten; die Männer bevorzugten historische Bücher, populäre Berichte vom amerikanischen Bürgerkrieg oder vom Zweiten Weltkrieg, die Buben lasen Bücher über Hunde, die Mädel über Pferde - man konnte gar nicht genug davon mitbringen. Allen gab ich Ratschläge, und so war es mir völlig selbstverständlich, daß es verschiedene Lesergruppen mit unterschiedlichen Lesebedürfnissen gibt, die mit den äußeren Lebensumständen der Leser mehr zu tun haben als mit der Qualität der Bücher. Ich stellte nur seufzend fest, daß die Hundebücher besser waren als die über Pferde und fragte mich vergeblich, was die präpubertäre weibliche Libido an diesen Tieren so fasziniert. Am literarischen Gehalt läßt sich die Anziehungskraft dieser Geschichten für die Leserinnen nicht festmachen. Ein paar Jahre später läßt die Pferdemanie merkbar nach. Hier ist ein weiterer Beweis dafür, daß wir Lebenszeit für Lesezeit aus anderen als ästhetischen Gründen eintauschen. Jahrzehnte später wunderte ich mich, als einer meiner Aufsätze mit dem Titel „Frauen lesen anders“ viel Aufmerksamkeit hervorrief, als wäre ich auf etwas Funkelnagelneues gestoßen.

Ich brachte also haufenweise Bücher nach Hause und las sie so oberflächlich, wie’s ging, um möglichst viel über so viele wie möglich zu wissen. Bei Kindern aus armen Familien übersah ich’s, wenn sie Bücher beschädigt zurückbrachten. Hätten sie das Strafgeld zahlen müssen, erklärte ich meiner Vorgesetzten, dann würden wir weder die Bücher noch die jungen Leser wiedersehen. Und sie sollen doch lesen. Der Job war anstrengend und schwer mit der Versorgung von zwei Kindern zu vereinen, er kostete viel Energie und konfrontierte mich zunehmend mit der Frage, ob ich diesen Beruf wirklich den Rest meines Lebens ausüben wollte.

Ruth Klüger: unterwegs verloren. Erinnerungen. S. 85 u. S. 93f

Obamas Technologieprogramm - Entwicklungsschub für Bibliotheken?

Das Technologieprogramm der neuen US-Präsidentschaft könnte indirekt und mittelfristig einen Entwicklungsschub bei Bibliotheken und Büchereien auslösen. Ist die Orientierung doch ganz eindeutig hin zu den BürgerInnen, gegen den Kontrollwahn und auf freie Verfügbarkeit von Informationen gerichtet. Der Umgang mit der Frage der Patente und mit Open Source läßt hoffen, dass die informationstechnologische Middle-Age-Politik der letzten acht Jahre beednet sein wird.
In der ORF-Futurezone gibt es eine schöne Gegenüberstellung von Maßnahmen der Bush-Regierung und dem Obama-Programm:

Barack Obama als Al Gore 2.0
Das Technologieprogramm des neuen US-Präsidenten erinnert an die Ära von Bill Clinton und Al Gore. So setzt Barack Obama ausdrücklich auf das Prinzip der Netzneutralität. Auch die Verteidigung der Privatsphäre im digitalen Zeitalter hat sich Obama auf die Fahnen geschrieben.
...

"Netzneutralität"
Oberster Punkt in ihrer Technologie-Agenda ist "Bewahrung der Offenheit des Internets". Wörtlich heißt es da: "Der Schlüssel für die Erfolgsstory des Internets ist, dass es das offenste Netzwerk in der Geschichte ist. So soll es bleiben. Barack Obama tritt entschieden für das Prinzip der Netzneutralität ein."

Das ist eine an Deutlichkeit nicht zu übertreffende Absage an die Pläne der US-Telekoms und Kabelnetzbetreiber, unter dem Titel "Next Generation Networks" eine Art Zweiklassen-Internet einzuführen.



Bibliotheken als "Low-Cost-Airline"

Mark Buzinkay, der vor einiger Zeit in einem sehr lebendigen Vortrag in den Wiener Büchereien den zumeist staunenden BibliothekarInnen Bibliothek 2.0 nahezubringen versucht hat, stellt in seinem Blog einige bedenkenswerte Überlegungen zu den möglichen Auswirkungen der Finanzkrise auf Bibliotheken an. Hier das Fazit: Finanzkrise und Bibliotheken - offene Fragen und Strategien

9. Was für Bibliotheken gilt, gilt umso mehr für privat-wirtschaftlich geführte Unternehmen: auf die Kosten schauen. Und das wird den einen oder anderen neuen Kunden zu Bibliotheken treiben. Denn: die Kosten für die Beschaffung und Verarbeitung von Information sind enorm hoch, die Bibliothek ist aber hier unschlagbar günstig. Der Zugang zu Datenbanken ist für Inhaber einer Leserkarte (Jahrespreis ein paar Euro) geradezu geschenkt. Die Bibliothek ist so etwas wie die Low-Cost-Airline unter den professionellen Informationsanbietern. Das gilt aber auch für alle offenen Web-Angebote (Google & Co). Treffen wird das wiederum die Informationsproduzenten, die mit fallenden Auflagen und Lizenzen spekulieren müssen.

10. Wird mehr in einer Bibliothek nachgefragt, dürfte das ihre Stellung stärken. Es gilt also, die “Öffentlichkeit”, d.h. hier die Wirtschaft, über die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung in Bibliotheken aufzuklären und entsprechende Services speziell für diese Gruppe auszurichten. Es ist also zweierlei notwendig: den Bedarf dieser neuen Zielgruppen zu kennen, und die Bereitschaft, ihr auch ein entsprechendes Angebot zu machen.

Mir scheint dieser Ausblick recht positiv, auch wenn die Bibliothekswelt nicht ungeschoren aus dieser globalen Krise kommen dürfte. Die Chancen in dieser Umbruchsphase sind groß - Open Access, Open Source, Web 2.0, neue Kundengruppen, bessere Wahrnehmung, mehr wirtschaftliche Professionalität in den Führungsetagen - man sollte sie aufgreifen. Was meinen Sie dazu?






Keine Hasenernte heuer

Villacher Treibjagd auf Feldhasen abgesagt

Jäger: Einmal "Ernten" muss erlaubt sein
Ertl: "Treibjagden werden gemacht, um den Wildbestand zu regulieren. Es ist nichts anders, als wenn man es mit der Landwirtschaft vergleicht: Es ist ein Hegen und Pflegen unter dem Jahr und ein einziges Mal von 365 Tagen im Jahr wird hoffentlich auch noch geerntet werden dürfen."








Zu Tode pschtet

Aus dem Leitfaden zum Abfackeln von Schriftstellerresidenzen von Brock Clarke, in der Übersetzung von Harry Rowohlt, der "das onomatopoetische, im Englischen aber absolut gebräuchliche 'to shush'" in einer Weise überträgt, die das Zeug in sich hätte, dauerhaft in den bibliothekarischen Alltag einzufließen

„Als Kind war ich zu oft von zu vielen ­knochigen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren in Strickpullis zu Tode pschtet worden.“


Fragemail des Tages

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer hat uns mit der Ausfahrt eine große Korbtasche mit Hieroglyphentafeln gesandt?
Was soll die Hauptbücherei damit?"









Postämter-Schließung: Bibliotheken als Ersatz?



wird in der Presse gefragt:
In Linz könnten die städtischen Bibliotheken Aufgaben der Post übernehmen, schlägt Planungs-Stadtrat Luger vor.
Die städtischen Bibliotheken könnten als Postaufgabestelle fungieren.








Nein danke vor 30 Jahren

Durch die physischen Nachwirkungen der amerikanischen Nacht ist dieser Beitrag nicht mehr am 5. November, dem dreißigjährigen Jubiläum der erfolgreichen Volksabstimmung gegen die Atomkraft, fertig geworden, außer man nimmt US-Zeit.

Das unten angeführte lange Zitat stammt aus dem auch heute noch sehr lesenswerten Bericht aus den Eingeweiden einer Fachgewerkschaft: "Lehrjahre bei Bau-Holz. Erfahrungen in einer Gewerkschaftszentrale." von Karl Czasny.
Der Autor hatte sich nach dem Studium bei der Gewerkschaft um eine Anstellung beworben, um seine Kenntnisse in den Dienst der ArbeitnehmerInnen zu stellen.
Bei der Gewerkschaft "Bau-Holz" schließlich erhielt er eine Anstellung in der Statistischen Abteilung.
In tagebuchartigen Aufzeichnungen bietet er einen erhellenden Einblick in die Kultur von Gewerkschaftszentralen, die sich, wie auch nach heutiger Lektüre leider festzustellen ist, nur wenig geändert hat.
Da die Tätigkeit von Karl Czasny gerade in die Zeit der österreichweiten Diskussion um die Inbetriebnahme eines Atomkraftwerks fiel und er sich im Verlauf dessen einer gewerkschaftlichen Initiative gegen Zwentendorf anschloss, kam er unweigerlich mit der Gewerkschaftsführung in Konflikt, die wie so oft, über die Köpfe ihrer Mitglieder hinweg eine Position einnahm, auf die sie alle Funktionäre zu verpflichten trachtete. Eine Position zur Bejahung der Kernkraftnutzung ohne wenn und aber natürlich.
Die folgenden Zeilen können vielleicht vermitteln, wie es dank solcher AlltagsheldInnen (und es ist tatsächlich sehr mutig gewesen, sich in solch einer Situation, unter solchen Rahmenbedingungen gegen den Mainstream zu stellen), innerhalb weniger Monate gelungen ist, gegen eine schier übermächtige Allianz aus Industrie, Sozialdemokratie und Gewerkschaft erfolgreich zu bestehen - die Volksabstimmung ergab ein knappes Votum gegen den Einsatz von Atomkraftwerken in Österreich.
Auch in den Büchereien hat es damals heftige Diskussionen, gerade auch mit BüchereibenutzerInnen gegeben, wobei die meisten BibliothekarInnen entschieden gegen die Inbetriebnahme von Kernkraftwerken waren und damit auch nicht hinter dem Berg hielten. Ich glaube, auch sie haben einen kleinen Beitrag gerade in aufklärerischer Hinsicht geleistet, da sie ja auf entsprechendes Informationsmaterial verweisen konnten, das von den LeserInnen auch angenommen wurde. Freilich gehörte viel weniger Mut für solche Initiativen dazu, als dies Leute wie Karl Cszerny aufzubringen hatten.
Nebenbei: sein Buch ist vergriffen und nur noch in zwei Büchereizweigstellen in Wien verfügbar. Hier ein besonderer Dank an die KollegInnen der Zweigstelle am Meiselmarkt, bei denen sich immer wieder solche Publikationen finden lassen, über die scheinbar die Zeit hinweggestrichen ist.
Ein offensichtlicher Irrtum, wie man an diesem Buch sieht:

Das Ende einer Karriere 30.9.1977
Nach dem Fehlschlagen meiner beiden, noch vor dem Urlaub unternommenen Versuche der Initiierung einer Zwentendorfdiskussion, entschloß ich mich — gestärkt durch das aufbauende Italienerlebnis — zu einer letzten Initiative in dieser Richtung. Im Rahmen der kommenden Betriebsversammlung wollte ich beim letzten Tagesordnungspunkt mit dem Titel „Verschiedenes“ das Wort zur Frage der Atomkraft ergreifen und sehen, was dann passieren würde. Mit einem ziemlich flauen Gefühl in der Magengegend sah ich dem Tag der Betriebsversammlung entgegen. Hätte den Auftritt gern schon hinter mir gehabt. Gestern war es dann so weit. Genau wie im letzten Jahr wurde die Betriebsversammlung wieder mit großer Routine und ohne jedes Engagement abgespult. Als das Ende der offiziellen Arbeitszeit beinahe erreicht war und alle bereits ans Aufbrechen dachten, kam endlich der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ an die Reihe. Ich gab mir einen Ruck, meldete mich und teilte den Kollegen mit einer vor Aufregung leicht zitternden Stimme in kurzen Worten mit, daß sich vor einiger Zeit eine überfraktionelle Initiative von Gewerkschaftlern, die gegen die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken eintreten, gebildet hätte. Ich sprach ganz kurz über die Ziele der Initiative und über unsere Kritik an der in der Zwentendorffrage wieder einmal deutlich zu Tage getretenen undemokratischen Entscheidungsstruktur des ÖGB. Schließlich stellte ich den Antrag, unter Beiziehung zweier Energieexperten eine betriebsinterne Diskussion zu dem gesamten Fragenkomplex zu veranstalten und bat den Versammlungsvorsitzenden, die Kollegen abstimmen zu lassen.
Die Aufbruchsstimmung, die sich vor meiner Wortmeldung breit gemacht hatte, war mit einem Schlag verflogen und es herrschte gespannte Aufmerksamkeit. Sofort nachdem ich geendet hatte, ließen einige ihre Arme zur Wortmeldung emporschießen. Und dann fielen sie regelrecht über mich her. Sie stellten den überfraktionellen Charakter unserer Initiative in Frage, sprachen von einem speziell gegen die SPÖ gerichteten Schlag des ÖAAB und der Kommunisten. Wollten in diesem Zusammenhang auch wissen, woher wir denn überhaupt die Adressen der Betriebsräte bekommen hätten, denen wir unseren Aufruf zur Unterzeichnung gesendet hatten. Das sei doch sicher nicht mit rechten Dingen zugegangen. Meinten schließlich, daß mein Verhalten in dieser ganzen Angelegenheit „kein Ruhmesblatt für die Gewerkschaft" sei. Der Tonfall, in dem all diese Vorwürfe und Unterstellungen geäußert wurden, machte deutlich, daß es sich hier um einen Ausbruch von offenbar bereits seit längerer Zeit aufgestauten Aggressionen handelte. Anscheinend war mein Engagement in der Zwentendorfinitiative ohnehin allen längst bekannt, man hatte sich aber nicht getraut, direkt mit mir darüber zu sprechen. Und nun gab ihnen mein eigener Vorstoß in dieser Frage die Gelegenheit, ihren heimlichen Unmut offen zu äußern.
Vor dem Beginn dieser ganzen Szene bis zu dem Augenblick, in dem ich mich zu Wort meldete, hatte mich die Angst gequält, vor versammelter Mannschaft eine Abfuhr zu erleben, für mein Verhalten angegriffen zu werden. Nun, nachdem meine Befürchtungen Wirklichkeit geworden waren, war meine Angst verschwunden. Ich empfand nur noch Wut über die meiner Meinung nach völlig ungerechtfertigten Beschuldigungen. In einer kurzen Stellungnahme antwortete ich in ziemlich scharfem Tonfall auf die Vorwürfe und schloß mit der Bemerkung, daß nicht mein eigenes Verhalten, sondern vielmehr die Art, wie die offiziellen Vertreter des ÖGB die Zwentendorffrage behandelten, kein Ruhmesblatt für die österreichische Gewerkschaftsbewegung darstelle. Bei diesen letzten Worten ging ein Raunen der Überraschung durch die Reihen: So hatte man den stillen-, freundlichen Doktor noch nicht reden gehört.
Seltsamerweise führte meine harte Replik nicht zu einer weiteren Eskalation der Auseinandersetzung. Denn nachdem die ärgsten Scharfmacher ihr Pulver verschossen hatten, meldeten sich nun einige besonnenere Kollegen zu Wort. In betont sachlichem Tonfall nahmen sie zur Kernkraftproblematik Stellung und führten dabei alle sattsam bekannten falschen Argumente der offiziellen ÖGB-Position ins Treffen. Zu gerne hätte ich die Gelegenheit ergriffen und die von mir gewünschte Zwentendorfdiskussion gleich auf der Stelle durchgeführt. Inzwischen war aber die offizielle Arbeitszeit bereits weit überschritten. Die zu Beginn der Auseinandersetzung herrschende Spannung hatte sich nach dem ersten kräftigen Schlagabtausch gelegt und eine immer stärkere Unruhe unter den Zuhörern signalisierte deutlich, daß allgemein eine Beendigung der Versammlung gewünscht wurde. In meiner Antwort ging ich daher auf das Gesagte nicht im einzelnen ein, sondern bemerkte nur, daß es zu all den genannten, scheinbar so plausiblen Argumenten mindestens ebenso vernünftige, aber in der Gewerkschaftsöffentlichkeit leider viel weniger bekannte Gegenargumente gäbe, die es wohl wert wären, in einer eigenen Diskussionsveranstaltung etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Im Anschluß an meine letzte Wortmeldung wollte der Vorsitzende angesichts der allgemeinen Aufbruchsstimmung die Versammlung beschließen. Da meldete sich plötzlich Kollege O. zu Wort und meinte, er empfinde es als äußerst undemokratisch, daß nun über den von mir gestellten Antrag auf Veranstaltung einer Zwentendorfdiskussion nicht abgestimmt werde.
Ich kenne O. aus vielen Gesprächen als sehr diskussionsfreudigen und mir wohlgesonnenen Kollegen. Trotzdem bin ich mir nicht ganz sicher, ob es ihm mit seiner Kritik an der undemokratischen Versammlungsführung ernst war, oder ob er nicht vielleicht nur aus taktischer Überlegung so gesprochen hat. Wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte, dann ist seine Taktik voll aufgegangen: Die Abstimmung brachte die totale Niederlage für meinen Antrag. Daß er mit großer Mehrheit abgelehnt werden würde, war mir ja von Anfang an klar gewesen. Daß sich aber keine einzige Stimme dafür finden würde, hatte ich nicht erwartet. Auch jene Kollegen, von denen ich aus privaten Gesprächen genau weiß, daß sie selbst Gegner der Kernkraft sind und das Verhalten des ÖGB in dieser Frage kritisieren, getrauten sich nicht, für eine Diskussion zu stimmen.
Heute, einen Tag nach der Betriebsversammlung wurde im ganzen Haus viel über das gestrige Ereignis gesprochen. Allgemein hieß es, mein Verhalten sei im Hinblick auf eine mögliche Karriere bei der Gewerkschaft ziemlich ungeschickt gewesen. Einer sprach sogar von „politischem Selbstmord". Wenn mir selbst auch nie etwas ferner gelegen ist, als irgendeine Karriere bei der Gewerkschaft oder anderswo, so ist doch an dem Wort vom „politischen Selbstmord" sicher etwas Wahres dran. Denn habe ich mir gestern auch keine Karriere verbaut (da ich ja keine angestrebt habe), so bin ich doch nun sicher und endgültig als linker Spinner, den man nicht mehr so richtig ernst nehmen kann, stigmatisiert.

Nachbemerkung zur Eintragung vom 30. 9. 1977
Als ich die obigen Zeilen niederschrieb, tat ich das in dem Bewußtsein, soeben eine vollkommene Niederlage für die von mir vertretene Sache erlebt zu haben. Heute, mehr als zwei Jahre später, sehe ich die Dinge in einem etwas anderen Licht. Vor einigen Tagen kam mir nämlich ganz zufällig folgendes zu Ohren: Bei einem von der Gewerkschaft der Privatangestellten veranstalteten Betriebsräteseminar wurde über innergewerkschaftliche Demokratie diskutiert. Als typisches Beispiel für undemokratisches Verhalten wurde dabei die seinerzeitige einstimmige Zurückweisung des von mir gemachten Vorschlages einer Zwentendorfdiskussion durch die Bau-und Holzarbeiter angeführt und kritisiert.
Die damaligen Ereignisse haben also offenbar doch Spuren in der Gewerkschaftsöffentlichkeit hinterlassen, die auch heute, zwei Jahre später, noch nicht gänzlich ausgelöscht sind. Diese Erfahrung, durch eine Handlung winzige, aber immerhin in die richtige Richtung weisende Spuren hinterlassen zu haben, ist für mich so etwas wie eine kleine, nachträgliche Entschädigung für so manche im Zuge meiner Arbeit in der Gewerkschaft erlebten Gefühle der Sinnlosigkeit meines Tuns.




heute freuen wir uns mal



Tracy Chapman The Times They Are A-Changin

Rechtsextreme überfallen Kulturverein

Wie Die Jüdische, Duftender Doppelpunkt, Standard und Presse, no-rasicm.net, indymedia, dieanderezeitung  berichten, ist vorige Woche der Kulturverein W23, der auch die "Bibliothek von unten" beherbigt, von Neonazis überfallen worden.

In einer bemerkenswerten Stellungnahme in den Mailinglisten L-kribibi und Bibmail stellt der Koordinator der "Kritischen Bibliothekarinnen und Bibliothekare", Heimo Gruber, diesen Vorfall in einen größeren Zusammenhang, der auch für unsere Büchereiarbeit von großer Relevanz ist:

Die Nachricht vom Überfall einer Gruppe von zehn Neonazis auf den Kulturverein W 23, der auch "die bibliothek - von unten" beherbergt, hat mich empört: Nicht nur die Gewalttat, sondern auch die üblichen Verharmlosungen der Polizei, die in einer ersten Stellungnahme die vermummten "Täter bisher keiner Gruppe zuordenbar" sieht.
In einem politischen Klima, in dem von 28,24 % der WählerInnen zwei Parteien gewählt wurden, die (selten in Österreich, aber durchgängig im restlichen Europa) als rechtsextrem bewertet werden und in dem ein Mann zum dritten Präsidenten des Nationalrats bestellt wurde, dessen Burschenschaft regelmäßig mit dem Verbotsgesetz und dem Wiederbetätigungsparagraphen in Konflikt kommt, fühlen sich solche Terroristen ermutigt.
Allein das auszusprechen, wird einem von einer wohlmeinenden und selbst über jeden Verdacht erhabenen Umgebung immer wieder als "unangemessene Dramatisierung" ausgelegt.
Auch wir Bibliothekarinnen und Bibliothekare sind Teil dieser Gesellschaft. Unser wohlsortierter Buchbestand und ein spezielles Publikum an BenutzerInnen nähren mitunter Illusionen, sich zumindestens in einer "heilen" Arbeitswelt zu befinden. Auch unter uns gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, wo die Grenzen der Toleranz zu ziehen sind.
Während die einen zum Beispiel in der Verbannung von Autoren wie David Irving aus den Regalen einen Akt demokratiepolitischer Selbstverständlichkeit, bzw. Notwendigkeit sehen, erkennen andere darin einen ersten Schritt zur "Zensur".
Als Koordinator des Arbeitskreises kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare im Renner-Institut KRIBIBI möchte ich den Kolleginnen und Kollegen von "die bibliothek - von unten" Solidarität und Anteilnahme ausdrücken.
Ich werde in unserem Arbeitskreis vorschlagen, dass das kommende Frühjahrsseminar (15.-17.Mai 2009) von KRIBIBI einen entsprechenden thematischen Schwerpunkt setzen wird, der sich der notwendigen Auseinandersetzung mit jenen Tendenzen widmet, die sich meistens in "gemütlicherem" Gewand als durch gewalttätige Exzesse bemerkbar machen, deswegen aber nicht weniger gefährlich sind.
Heimo Gruber